Kohls einstiges »Küken« soll noch mal Ministerin werden - nun in Schwerin
Erst im März ist Claudia Nolte, 1994/98 jüngste Ministerin von Langzeitkanzler Kohl, umgezogen: von Ilmenau nach Belgrad. Wohl nicht ganz freiwillig, denn bei der Wahl am 18. September 2005 hatte sie ihr Bundestagsmandat verloren und so das seit 1990 gewohnte sichere Einkommen als Berufspolitikerin. Da ihr Übergangsgeld »nur« für 15 Monate zusteht und es die üppige Ministerpension erst ab 60 gibt, musste die mittlerweile 40- Jährige über kurz oder lang nach einem Job Ausschau halten. Da kam ihr das Angebot, bei der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU die Außenstelle für Serbien und Montenegro zu leiten, sicher gut zupass.
Denn Nolte hatte zwar in der DDR, obwohl Katholikin, in ihrer Heimatstadt Rostock das Abitur ablegen und Elektronikfacharbeiterin werden, danach an der TU Ilmenau studieren können. Doch kaum Diplomingenieurin, suchte sie 1990 lieber ihr Heil in der Politik: Nach einer Stippvisite beim Neuen Forum trat sie in die CDU ein, wurde dort sofort als Kandidatin erst für die Volkskammer, dann für den Bundestag nominiert. Als Multi-Quotenfrau - jung, katholisch, aus dem Osten, verheiratet, Mutter - machte sie Blitzkarriere: 1991 frauen- und jugendpolitische Sprecherin und Vorstandsmitglied der Unionsfraktion, 1994, mit 28, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1996 Mitglied des CDU-Präsidiums.
Aufsehen erregte Claudia Nolte außer mit der Rüschenbluse, die sie zur Vereidigung trug, vor allem durch Inkompetenz und Naivität. Laut »Welt« bezeichnete sie ihr damaliger Fraktionschef Schäuble nur als »das Kind«. Und Kohl habe ihr im CDU-Vorstand das Wort mit der Bemerkung »Wir sind hier nicht im Kindergarten« abgeschnitten. Trotzdem trat sie immer wieder in Fettnäpfchen, so im Wahljahr 1998 mit der Drohung, die ihr verhasste Abtreibungsregelung vors Bundesverfassungsgericht zu bringen, und der Ankündigung einer Mehrwertsteuererhöhung nach der Wahl. Kohl musste beide Male vehement dementieren.
Nach der Niederlage der Union wurde Nolte auf drittrangige Posten im außenpolitischen Bereich abgeschoben. Nun soll sie plötzlich Ministerin für Bildung und Soziales einer SPD/CDU-Regierung in Schwerin werden. Auf Wunsch von Kanzlerin Merkel, behauptet die »Ostseezeitung«.
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