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Großstädtisches Inferno

Ondjaki aus Angola entwirft ein Porträt der Metropole Luanda

  • Manfred Loimeier
  • Lesedauer: 2 Min.

Luanda, die Hauptstadt Angolas, ist seit dem Ende des Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs eine florierende Metropole, reich geworden durch Öl und Diamanten. Angolanische Autoren wie José Eduardo Agualusa (»Ein Stein unter Wasser«) oder Pepetela (»Jaime Bunda, Geheimagent«) haben der Hafenstadt literarische Denkmäler errichtet, und so überrascht es nicht, dass sich mit dem 1977 in Luanda geborenen Schriftsteller Ndalu de Almeida, der unter dem Namen Ondjaki publiziert, ein weiterer Literat dazugesellt.


Ondjaki: Die Durchsichtigen.
Roman. A. d. Port. v. Michael Kegler.
Wunderhorn Verlag. 348 S., geb., 24,80 €.


»Die Durchsichtigen« heißt dieser mit dem José-Saramago-Preis ausgezeichnete Roman. Es ist kein einfaches Buch, weil Ondjaki sowohl auf eine vordergründige Handlung als auch auf deren lineare Chronologie verzichtet. Sein Buch liefert Facetten, schichtet Schicksale, überlagert Ereignisse. Um diese Unteilbarkeit des Geschehens zu unterstreichen, verzichtet Ondjaki auf das Satzzeichen Punkt und eröffnet jeden Absatz in Kleinschreibung. Die Lektüre des Romans fällt daher nicht leicht, bleibt aber visuell vor Augen und wirkt wie ein Gemälde des zeitgenössischen Luanda.

Ondjaki, der sein Studium in Lissabon mit einer Arbeit über den angolanischen Schriftsteller Luandino Vieira abschloss, lebt in Rio de Janeiro, und seine Erzählungen, Theaterstücke, Kinderbücher, Gedichte und Romane liegen bereits in einem Dutzend Sprachen vor. Immerhin erläutert eine von Ondjakis Romanfiguren den Titel »Die Durchsichtigen«. Gemeint sind Menschen, die in dem Großstadtwirrwarr an Lebenskraft verlieren, aufgezehrt werden vom täglichen Überlebenskampf. Ondjaki konzentriert sich auf ein Hochhaus, dessen Bewohner sich durchschlagen - mit einem Hinterzimmerkino, mit Kleinkriminalität. Ein Briefträger rennt dort herum, der die meisten seiner Briefe selber schreibt, ein Journalist wird erschossen, ein Blinder verkauft Muscheln, Beamte erpressen Schutzgeld, und aus einem Leck läuft stetig Wasser, so dass der Untergang des Hauses nur eine Frage der Zeit ist.

Dieser Zerfall verursacht aber ein weiteres Phänomen, nämlich die Gier nach Erdöl und Reichtum, die die Regierung veranlasst, mit gefälschten Gutachten Bohrungen unter Luanda einzuleiten: Diese Selbstherrlichkeit lässt die Stadt zuletzt explodieren. Ondjaki liefert indes auch ein liebevolles Porträt der Metropole, denn durch die Kritik an Korruption schimmert hindurch, was mit dem Reichtum dieser Stadt an wahrer Lebensqualität geschaffen werden könnte. So ist der Roman als furioser Totentanz ein Memento Mori, um in Luanda das Paradies auf Erden zu schaffen, das dort offenbar gut möglich ist.

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