Tod in der Nebelwand
Eine Brücke und viel Technik sollen in der Münchberger Senke bei Hof eine Katastrophe wie 1990 verhindern helfen
Münchberg. Die Autobahn 9 im Norden Oberfrankens führt durch die Münchberger Senke, in der sich Nebel besonders zäh hält. So auch am 19. Oktober 1990: Viele Autofahrer sind überrascht vom undurchdringlichen Grau, krachen ineinander. Ein paar Minuten nur - und rund 100 Autos sind in den Unfall verwickelt. Zu einer der schlimmsten und dramatischsten Massenkarambolagen, die es je auf deutschen Straßen gegeben hat, kommt es aber erst, als ein 40-Tonnen-Milchlaster mit viel zu hoher Geschwindigkeit in die Unfallstelle fährt. Wie ein Schneepflug, so rekonstruieren die Sachverständigen später, schiebt sich der Laster die Autobahn entlang, Fahrzeuge werden zu einem Knäuel zusammengequetscht. Die Bilanz: zehn Tote und 122 Verletzte, 38 davon schwer.
25 Jahre ist dieser Unfall nun her. An der Senke nahe Münchberg im bayerischen Landkreis Hof ist seitdem viel gebaut worden. Die Autobahn wurde um zehn Meter angehoben - anstatt auf einem Damm verläuft die Strecke nun über eine 500 Meter lange Talbrücke. Damit sollten die Sichtbedingungen verbessert werden. Dennoch habe sich gezeigt, dass bei Nässe noch häufig Unfälle auftreten, sagt eine Sprecherin der Autobahndirektion Nordbayern. 2005 sei deshalb eine »Streckenbeeinflussungsanlage« nachgerüstet worden. Dieses Programm regelt automatisch die zugelassene Geschwindigkeit - abhängig von Witterungsbedingungen und Verkehrsaufkommen. Auch ein Überholverbot für Laster kann bei Bedarf verhängt werden. Für die Anlage sind unter anderem Bodensensoren in die Fahrbahn eingelassen worden, die Wasserfilmdicke, Fahrbahntemperatur und Gefriertemperatur messen.
Nach Auffassung der Autobahndirektion haben sich die Maßnahmen ausgezahlt: Die Unfallrate habe sich um 75 Prozent verringert und entspreche jetzt dem Durchschnitt auf nordbayerischen Autobahnen.
Rückblende: Als der Eiserne Vorhang Europa trennte, war die A9 in Richtung Grenze ein verschlafenes Stück Fernstraße. 1988 fuhren lediglich 18 000 Fahrzeuge pro Tag auf dem grenznahen Streckenabschnitt. Das änderte sich schlagartig, als 1989 die Mauer fiel. Die A9 wurde plötzlich zu einer der wichtigsten Verbindungsstrecken zwischen Ost und West: 1990 waren 40 000 Autos und Lastkraftwagen pro Tag unterwegs. Für dieses Verkehrsaufkommen war die Autobahn aber noch längst nicht hergerichtet.
Der Massenunfall von 1990 wurde später von der Justiz aufgearbeitet. Der Milchlaster-Fahrer musste sich in Hof vor Gericht verantworten, im November 1992 wurde er wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Das Gericht erkannte »bedenkenloses und leichtsinniges Verhalten« bei dem Fahrer, der direkt nach dem verheerenden Unfall seine Tachoscheibe verschluckte, um zu verschleiern, dass er die zulässigen Lenkzeiten überschritten hatte. dpa/nd
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