Laufen Belgier schlechter als wir?

Gesundheitspolitiker Harald Weinberg über ein Krankenhausgesetz zu Lasten der Kranken

  • Lesedauer: 5 Min.

Wie dramatisch ist die Lage der Krankenhäuser?

Die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen. Damit kämpfen alle Krankenhäuser - die einen kriegen das ein bisschen besser hin, indem sie sich sehr stark spezialisieren, die anderen kriegen es schlechter hin, weil sie sich nicht spezialisieren können.

Sind alle Häuser gleichermaßen von Unterfinanzierung bedroht?

Es gibt deutliche Unterschiede, die sehr häufig mit Spezialisierungen oder Schwerpunktsetzungen einhergehen. Private Krankenhäuser engen oft ein breites Leistungsspektrum von der Blinddarmoperation bis zum Einsatz eines künstlichen Hüftgelenkes ein und spezialisieren sich. Doch das ist nichts anderes als eine Verdrängung der Menschen in andere Krankenhäuser, denn die Krankheiten bekommen sie ja dennoch. In aller Regel werden sie dann von frei gemeinnützigen und öffentlichen Krankenhäusern aufgenommen, deren ökonomische Situation sich dadurch verschlechtert.

Müsste man dann nicht auch in den Zuwendungen für die Krankenhäuser Unterschiede machen?

Es sollte gar nicht zulässig sein, dass sich Krankenhäuser aus der Regelversorgung verabschieden und zur Erwirtschaftung von Gewinnen herangezogen werden. Diese Position haben nicht nur wir als LINKE, sondern auch der Interessenverband der Kommunalen Krankenhäuser. Der hat den Gesetzgeber dazu aufgefordert, die Möglichkeit der Gewinnerwirtschaftung über das Krankenhausgesetz zu unterbinden.

Das wird natürlich keine Mehrheit finden, oder?

Vermutlich nicht, aber es zeigt doch, dass wir in dieser Diskussion ein bisschen weiter sind als vor drei, vier Jahren. Auch die Ärztevertretung Marburger Bund, die Gewerkschaft ver.di, der Verband der leitenden Krankenhausärzte oder der Verband der Krankenhausdirektoren freunden sich immer stärker mit dieser Meinung an. Da tut sich etwas.

Von der Vision zur Realität, in der die Krankenkassen für die Bezahlung der Behandlung zuständig sind, und die Bundesländer die Investitionen in den Krankenhäuser bezahlen müssen. Aber das tun sie nicht in vollem Umfang. Wieso schaut der Gesetzgeber da weg?

Über alle Bundesländer betrachtet fehlen jedes Jahr gut drei Milliarden Euro. Dies verteilt sich aber unterschiedlich auf die Bundesländer. Bayern investiert beispielsweise 500 Millionen Euro in seine Krankenhäuser, ist allerdings auch schon mal bei 850 Millionen gewesen. Das Krankenhausstrukturgesetz sieht vor, auf jeden Fall den Durchschnitt der letzten drei Jahre aufrecht zu erhalten. Nur dann können die Länder Strukturhilfen für den Umbau von Krankenhäusern erhalten, die nicht mehr benötigt werden. Die LINKE fordert Geld vom Bund, das nur abgerufen werden kann, wenn die Länder mindestens das gleiche noch mal oben drauf legen. Damit soll verhindert werden, dass Investitionen aus dem Topf bezahlt werden, den die Krankenkassen für die Behandlung zu Verfügung stellen.

Gibt es Chancen für eine Umsetzung dieser Forderung?

Die gibt es, aber die Strukturmittel sind ja eigentlich nicht zur Investition da. Sie sollen abgerufen werden, wenn man eine Station oder auch ein ganzen Krankenhaus aus dem Rennen nimmt und etwas ganz anderes daraus macht.

Das Gesetz sieht Abschläge bei schlechter Qualität vor. Sollte man für eine schlechte Behandlung nicht eigentlich gar nichts bezahlen?

Es gibt jetzt schon recht gute Qualitätsindikatoren und auch ein recht gutes Qualitätsmessungsinstrument in Krankenhäusern. Aus meiner Sicht verschärft das geplante »Pay for performance« den Wettbewerb zwischen den Kliniken in unnötiger Weise. Dabei soll gute Qualität besser bezahlt und schlechte mit Abschlägen belegt werden. Werden die Mängel nicht abgestellt, muss eine Station oder ein ganzes Krankenhaus geschlossen werden. Ausgehend von der Grundthese, es gäbe zu viele Krankenhäuser in Deutschland, überlässt man die Regulierung dem Markt und nimmt es in Kauf, wenn versorgungsnotwendige Häuser in unterversorgten Gebieten auf der Strecke bleiben. Besser wäre es, mit der Qualität schon bei der Indikation anzufangen. Baue ich einem gesunden 35-Jährigen eine Hüftprothese ein, dann wird der in zwei Tagen wieder vernünftig laufen können und hat so gut wie keine Nebenwirkungen. Dann habe ich eine wahnsinnig tolle Ergebnisqualität, aber der hätte vielleicht gar keine Prothese gebraucht. Wir wissen, dass wir im Europa-Vergleich bei Totalendoprothetik-Operationen führend sind, aber laufen Franzosen, Belgier oder Holländer schlechter als wir? Qualität heißt auch, Zweitmeinungsverfahren zu etablieren, alternative Therapien in den Blick zu nehmen und nicht das zu machen, was mehr Geld bringt.

Was wird die Reform bringen?

Noch mehr Patientenselektion, denn die Krankenhäuser werden noch mehr darauf achten, dass sie komplizierte und schwierige Fälle abwehren. Aber die multi-morbiden, schwierigen Patienten mit Nebenkrankheiten müssen auch behandelt werden. Die kommen dann in die Häuser der Maximalversorgung, in den größeren Städten sind das städtische Kliniken oder auch die Universitätskliniken, die damit klarkommen müssen. Sie werden dann Qualitätsprobleme bekommen und Abschläge in Kauf nehmen müssen. Das ist völlig absurd.

Wie hätte die Reform sein sollen?

Das Fallpauschalensystem, bei dem eine bestimmte Summe und Behandlungsdauer für eine bestimmte Krankheit festgelegt ist, muss nach Meinung der LINKEN auf den Prüfstand, weil es diese falschen Mechanismen befördert. Krankenhäuser sind Institutionen der Daseinsvorsorge und dürfen keine Gewinne machen. Wir brauchen wieder Globalbudgets für die einzelnen Krankenhäuser. Machen sie Überschüsse, kommen diese in das nächste Jahresbudget, dürfen aber an niemanden ausgeschüttet werden.

Die Krankenhausplanung muss bei den Ländern angesiedelt sein und es muss unmöglich sein, dass sich Krankenhäuser in überversorgten Gebieten in den Plan klagen können. Wo es zu viele Kliniken gibt, wie in den großen bayerischen Ballungsräumen, sollten die Kapazitäten auf ein vernünftiges Maß herunter gefahren werden. Dafür lasse ich aber auf dem Land die Krankenhäuser überleben. Das wäre vernünftig. Doch stattdessen handeln wir gegenwärtig, als würden wir die Feuerwehr danach bezahlen, wie viel Wasser durch den Schlauch geht. Eigentlich sollten wir sie dafür bezahlen, dass sie ständig einsatzbereit ist, um Brände zu löschen. Und eine ganz zentrale Frage ist die Zusammenarbeit zwischen Kliniken und Ärzten in der ambulanten Versorgung. Die dürfen nur unter aufwendigen Umständen miteinander kooperieren. Das ist in Europa einmalig und sollte der Vergangenheit angehören.

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