»Das ist Arbeit am offenen Herzen«

Nietzsche-Zentrum wurde Anlaufpunkt in Naumburg

  • Romina Kempt, Naumburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Ralf Eichberg öffnet eine Schublade. Eine Totenmaske von Friedrich Nietzsche (1844-1900) kommt zum Vorschein. »Die geht in wenigen Wochen nach China«, sagt der Leiter des Nietzsche-Dokumentationszentrums (NDZ) in Naumburg (Sachsen-Anhalt). Am 15. November soll Eichberg als Kenner des Philosophen in Fernost eine Rede über dessen Leben und Werk bei einer Ausstellungseröffnung halten. Zuvor treten 28 Exponate - darunter die Maske Nietzsches, Erstausgaben und Grafiken - die Reise nach Wuzhen in der Nähe von Shanghai an. Sie sind das Herzstück der Schau im neuen Mu Xin Art Museum.

Mu Xin sei ein herausragender, chinesischer Künstler gewesen, erklärt Eichberg. Er habe während einer längeren Haftzeit das Werk Nietzsches rezipiert. Die Chinesen seien große Fans des Philosophen. Die erste Ausstellung des neuen Museums soll sich daher Nietzsche widmen.

Das NDZ in Naumburg wurde 2010 eröffnet - in direkter Nachbarschaft zum Nietzsche-Haus, wo der spätere Philosoph einige Jahre mit Mutter und Schwester lebte. Knapp drei Millionen Euro kostete der Neubau. Heute haben im NDZ die Friedrich-Nietzsche-Stiftung als Betreiber und die Nietzsche-Gesellschaft ihren Sitz.

Im Keller des Gebäudes gibt es ein Archiv mit mehr als 9000 Bänden sowie etlichen Briefen, Dokumenten und Erinnerungsstücken aus der Zeit des Philosophen. Für Forscher ist in den Tagungsräumen und Arbeitsbereichen ausreichend Platz zum Studium. Das NDZ ist nach eigenen Angaben eines der größten Nietzsche-Zentren der Welt.

»Bei uns ist jeder willkommen«, sagt Eichberg. Im Foyer wartet gerade eine Gruppe junger Afrikaner auf den Beginn eines Sprachkurses in einem der Räume. Eine Etage darüber sitzt ein Praktikant vor einem Dokumentenstapel. Für das das vergangene Wochenende hatte der Leiter etwa 120 Gäste aus verschiedenen Nationen zu einem internationalen Kongress geladen.

Das NDZ ist heute ein wichtiger Bestandteil Naumburgs, sagt Stadtsprecher Felix Prescher. Sitzungen des Gemeinderats, Konzerte, Lesungen - es sei Anlaufpunkt für Kulturinteressierte, Wissenschaftler und Politiker zugleich. Die Stadt steuere daher jährlich 50 000 Euro für die Gebäudeunterhaltung sowie weitere Mittel für Personalkosten und den Nietzsche-Preis bei.

Die Arbeit im Gedenken an den Philosophen ist mühselig. »Wir haben etliche ungesichtete Dokumente«, sagt Eichberg. Etwa die Hälfte der Bände, die im Archiv lagern, konnten in den vergangenen Jahren mit Autorennamen und Titel digitalisiert werden. Praktikanten sind dabei die größte Stütze für Eichberg. »Ohne die geht es nicht«, sagt er.

Demnächst soll weitere Arbeit auf das NDZ zukommen. Ein Privatsammler aus den USA hat angedeutet, sein umfangreiches Nietzsche-Werk dem NDZ zu schenken. Hunderte Postkarten sowie etliche Literaturbände umfasst es. »Das ist Arbeit am offenen Herzen«, sagt Eichberg. Er wisse nie, was genau kommt. Er habe sich daher vor Jahren ein ganz spezielles Archivierungssystem erarbeiten müssen.

Friedrich Nietzsche (1844-1900) wurde in Röcken bei Weißenfels (Burgenlandkreis) geboren. Einen Großteil seiner Kindheit verbrachte er in Naumburg. Der Philosoph befasste sich unter anderem mit der christlichen Moral und schrieb etwa das dichterisch-philosophische Werk »Also sprach Zarathustra«. Der am Ende seines Lebens geistig umnachtete Nietzsche starb 1900 in Weimar. dpa/nd

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