Russland erhöht Druck im Dopingskandal

Halbstaatliche Bank kündigt vor möglicher Sperre Ende des Sponsorings beim Leichtathletikweltverband IAAF an

  • Kristof Stühm und
 Dominik Kortus
  • Lesedauer: 3 Min.
Staatschef Wladimir Putin kämpft um die unter Dopinggeneralverdacht stehende russische Leichtathletik. An diesem Freitag entscheidet der Weltverband IAAF über eine mögliche Suspendierung.

Wladimir Putin macht den Dopingskandal in Russland zur Chefsache. Öffentlich reicht der mächtige Staatspräsident den Ermittlern die Hand, doch als Strippenzieher erhöht er im Hinterzimmer auch den Druck auf IAAF-Präsident Sebastian Coe.

Einen Tag vor der Entscheidung über eine mögliche Suspendierung Russlands hat die IAAF völlig überraschend einen ihrer wichtigsten Geldgeber verloren. Die halbstaatliche russische Bank VTB wird ihren Sponsorenvertrag nicht verlängern. »Wir haben nicht die Absicht, ihn zu erneuern«, sagte VTB-Vizepräsident Wassili Titow am Donnerstag. Die zweitgrößte Bank Russlands befindet sich zu 60,9 Prozent in Staatsbesitz - also entscheidet immer auch der Kreml mit. Aber mit dem drohenden Ausschluss Russlands aus der IAAF hat das alles angeblich nichts zu tun.

Doch die Warnung an Coe könnte vor der mit Spannung erwarteten Telefonkonferenz des IAAF-Councils am Freitagabend nicht klarer sein. Auch wenn Putin selbst im Spiel um die Macht moderate Töne anschlug. In seiner ersten offiziellen Stellungnahme zum Vorwurf des systematischen und staatlich geschützten Dopingbetrugs in der russischen Leichtathletik versprach der 63-Jährige Aufklärung.

Das Dopingproblem existiere »nicht nur in Russland. Aber wenn unsere ausländischen Kollegen Fragen haben, ist es notwendig, dass keine offen bleiben«, sagte Putin und kündigte die »offenste und professionellste Zusammenarbeit mit internationalen Antidoping-Behörden« an. Ein Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Olympischen Spielen 2016 wäre auch für den leidenschaftlichen Sportler Putin eine beispiellose Blamage. »Wir müssen alles tun, um uns von diesem Problem zu befreien«, sagte er.

IOC-Präsident Thomas Bach hielt sich in der Diskussion bedeckt. Eine mögliche Suspendierung sei Sache der IAAF, allerdings seien die aufsehenerregenden Enthüllungen der unabhängigen Untersuchungskommission der Welt-Antidoping-Agentur WADA »traurig und schockierend«, sagte Bach, der während der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi oft für seinen angeblich zu laschen Kurs gegenüber Gastgeber Putin kritisiert worden war. Der Deutsche stellte harte Strafen für überführte Täter in Aussicht: »Medaillen könnten aberkannt und neu vergeben, Sportler bestraft und von der IAAF ausgeschlossen werden.«

Ed Warner, Chef des britischen Leichtathletikverbandes, wirbt für die drastischste aller Strafen - einen kollektiven Ausschluss der russischen Leichtathleten von Olympia 2016. Auch auf die Gefahr hin, dass das gesamte russische Team und befreundete Länder die Spiele in Rio dann boykottieren könnten, müsse ein Zeichen gesetzt werden. Der Boykott sei »ein Risiko«, sagte Warner, aber »keines, das mich interessiert.«

Boykott - ein Horrorszenario, das IAAF-Vize Sergej Bubka unbedingt verhindern will. Der Ukrainer durfte als sowjetischer Stabhochspringer selbst nicht an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles teilnehmen, eine Erfahrung, die kein Sportler mehr machen dürfe. »Viele erfolgversprechende Athleten hatten nie die Chance, um olympische Medaillen zu kämpfen«, sagte Bubka in einem Interview mit dem Weltverband der Sportjournalisten AIPS: »Wir haben die Verantwortung, saubere Athleten vor jeder Form des Massenausschlusses zu schützen. Wir dürfen sie nicht bestrafen.«

Nun sind alle Augen auf Coe gerichtet. Freitagabend gegen 19 Uhr wird der IAAF-Präsident seine 26 Kollegen im Council zur Krisensitzung am Telefon begrüßen. Eine einfache Mehrheit im höchsten Gremium der Weltleichtathletik reicht für einen Ausschluss des russischen Verbandes, der laut Kommissionsbericht massiv gegen die Richtlinien des WADA-Codes verstoßen hat. »Es ist klar, dass ich unseren Sport wieder auf ein Niveau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit bringen muss, das wir lange nicht mehr hatten«, sagte Coe vor der Entscheidung. SID/nd

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