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Dessert Surprise - auf ein Neues?

Hollande bei Putin - fast pünktlich zum Jahrestag des Geschwaders Normandie-Njemen. Von René Heilig

  • Lesedauer: 3 Min.

Am Donnerstag flog Frankreichs Präsident François Hollande nach Moskau, um mit seinem dortigen Amtskollegen Wladimir Putin auch über ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen die Truppen des Islamischen Staates in Syrien zu sprechen. Ebenfalls am Donnerstags feierte ein kleines Restaurant in der Blagoweschtschenski Gasse, Ecke Twerskaja den ersten Geburtstag. Eigentlich wäre das der richtige Ort für das Treffen der beiden Präsidenten gewesen. Nicht, weil es an Moskaus Prachtstraße gelegen ist, sondern weil das Restaurant »Normandie-Njemen« heißt.

Was es mit dem Namen auf sich hat, zeigen die Betreiber mit Fotos und Dokumenten. An der Decke hängen Modelle von Jakowlew-Jagdmaschinen aus dem Zweiten Weltkrieg. So wird an eine Waffenbrüderschaft erinnert, die es im Zweiten Weltkrieg zwischen sowjetischen und französischen Soldaten gegeben hat.

Im März 1942 bot die französische »France Combattante« (»Kämpfendes Frankreich«) unter General Charles de Gaulle der Sowjetunion an, eine in Syrien aufgestellte Fliegerstaffel der Roten Armee zu unterstellen. Am 25. November wurde die entsprechende Vereinbarung unterschrieben. Auf Wunsch der französischen Soldaten blieb der Name der Einheit erhalten: Staffel »Normandie«.

Am Anfang bestand das Personal nur aus 14 Piloten und 58 Flugzeugmechanikern. Dazu stellte die Rote Armee 17 eigene Flugzeugwarte, die die französischen Partner in die sowjetische Technik einweisen sollten. Ausgerüstet war die Truppe mit Jak-1-, Jak-9- und schließlich mit den bei Piloten beliebten, weil wendigen Jak-3-Flugzeugen. Man gliederte die Franzosen in die 303. Jagdfliegerdivision der 1. Luftarmee ein.

Am 5. April 1943 (andere Quellen sprechen vom 16. April) hatte die Einheit ihre ersten Luftkämpfe zu bestehen. Immer mehr französische Piloten und Mechaniker reihten sich ein, aus der kleinen Staffel wurde ein Geschwader, das unter anderem bei der wichtigen Schlacht um Kursk, in belorussischen Gebieten und bei Operationen in Ostpreußen eingesetzt wurde.

Die Angehörigen haben auch einen Anteil an der Befreiung des heutigen Litauens. Als Auszeichnung verlieh man dem Geschwader am 28. November 1944 den neuen Namen: »Normandie-Njemen«. Der Fluss Njemen hatte bis dahin Memel geheißen. Er kommt sogar im sogenannten Deutschlandlied vor und sollte die Weite des Landes, das über allen anderen stand, vorgeben: »... von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt ...« Dass der deutsche Größenwahn zurückgedrängt und damit auch Frankreich befreit werden kann, war das Motiv der französischen Soldaten, die zwar in der Roten Armee kämpften, doch dabei ihre Uniformen behielten.

Insgesamt flogen die Piloten 5240 Kampfeinsätze, in 869 Luftkämpfen wurden nachweislich 273 Gegner abgeschossen. Doch auch die eigenen Verluste waren hoch. 42 der insgesamt 96 französischen Piloten kamen um. Dreizehn der Weltkriegsüberlebenden starben später in Indochina und in Afrika.

Das Geschwader erhielt in der Sowjetunion zahlreiche Auszeichnungen - aus der Heimat kamen das Kreuz der Ehrenlegion, das Befreiungskreuz und das Kriegskreuz, Moskau zeichnete die Truppe mit dem Alexander-Newski- und dem Rotbanner-Orden aus. Am 20. Juni 1945 kehrten die französischen Piloten in 41 Jak-3, die ein Geschenk der Sowjetunion waren, in ihre Heimat zurück. Noch heute gibt es in der französischen Armée de l'air eine Staffel, die den Namen »Normandie-Njemen« trägt. Sie ist in Mont de Marsan stationiert und mit Rafale-Kampfflugzeugen ausgerüstet.

Das Fünf-Gänge-Menue zum Geburtstag im Moskauer Restaurant wurde am Donnerstag beschlossen mit einem »Dessert Surprise du Normandie-Njemen«. Welche Überraschung Gastgeber Putin seinem Gast Hollande auftischte, ist nicht so genau bekannt.

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