Bremen und das Auge des Betrachters

Was Bestenlisten über das kleinste Bundesland sagen

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch ein Städte-Ranking - wieder liegt Bremen hinten. Auftraggeberin war diesmal die Privatbank Beerenberg, die vom »Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut« eine Studie über die Zukunftsfähigkeit und wirtschaftliche Attraktivität der 30 größten deutschen Städte fortschreiben ließ.

Erreichte Bremen hier noch vor fünf Jahren Platz 16, so war es vor zwei Jahren Platz 19 und in diesem Jahr Platz 20. Dabei lobt doch eben jene Hamburger Bank, die seit Jahren auch in Bremen vertreten ist, auf ihrer Internetpräsenz die ökonomischen Vorteile und die guten Zukunftsaussichten der Stadt.

Was Bestenlisten, heutzutage Rankings genannt, betrifft, so gilt wohl die alte Weisheit von der Schönheit, die im Auge des Betrachters liegt. Im übertragenen Sinne: Die Zahlen einer Erhebung sind im Grunde ohne Aussagekraft, wenn nicht klar ist, auf welchen Fragen sie basieren und wie gewichtet wird.

So hat das kleine Bremen mit der angeblich wenig rosigen Zukunft und geringen ökonomischen Strahlkraft zum Beispiel laut dem »Deutsche Post Glücksatlas« von 2012 eine recht zufriedene Bevölkerung (in der jüngsten Ausgabe wird Bremen nicht extra aufgeführt). Den eher mittelmäßigen Listenplatz 8 gab es seinerzeit nur, weil die Befragten mit den Finanzen und der Sicherheit eher mittelmäßig zufrieden waren. In den Fächern Verkehr, Umwelt, Gemeinschaft und Nachbarschaft hatte die Bremer Bevölkerung zwar die deutschlandweit höchsten Werte angegeben, aber diese »weichen« Standortfaktoren wurden weniger gewichtet als die beiden »harten« Faktoren Sicherheit und Finanzen.

Die inflationäre Erstellung von Rankings ergibt ein schillerndes Bremen-Bild. Etwa beim Ranking der besten jungen Universitäten der Welt. »Jung« bedeutet in diesem Falle weniger als 50 Jahre alt. Die Uni Bremen hat es unter die weltweit ersten 100 geschafft und einen stolzen Platz 26 erreicht. Einen traurigen ersten Platz belegt das Land Bremen in Deutschland zugleich in Sachen verschuldete Haushalte, Arbeitslosigkeit und Armut. Was geradezu nach dem Klischee schreit: Arm, ohne Arbeit, mit Schulden und trotzdem glücklich wegen netter Nachbarn und guter Gemeinschaft.

Gegen diese Schlussfolgerung spricht allerdings eine im vergangenen Jahr auf »Zeit online« veröffentlichte Erhebung von »statista GmbH«, die Bremen das zweithöchste Pro-Kopf-Einkommen aller deutschen Bundesländer attestierte. Also doch nicht arm?

Zur Beantwortung kann eine Veröffentlichung der Arbeitnehmerkammer Bremen beitragen. Danach werden im Bundesland 47 Prozent der Arbeitsplätze von Menschen eingenommen, die in anderen Bundesländern wohnen, also täglich pendeln und ihren Verdienst über die Bremer Landesgrenze tragen. Im Gegenzug sollen es aber nur elf Prozent der Bremer Berufstätigen sein, die täglich aus Bremen heraus pendeln. Was ganz gut laufen muss, war laut »Glücksatlas« doch die Zufriedenheit mit dem Verkehr hoch.

Die Frage, weshalb sich die Privatbank Beerenberg in Bremen trotz attestierter geringer wirtschaftlicher Attraktivität so wohl fühlt, kann auch eine Studie der Arbeitnehmerkammer klären. Demnach ist von 2005 bis 2011 das Einkommen aus Vermögen in Bremen um mehr als ein Drittel gestiegen. Diese Steigerung im Segment »Geldverdienen ohne dafür zu arbeiten« bedeutet Platz eins im Länderranking. Ist das nun eine gute oder eine eher schlechte Platzierung? Nun, das liegt am Blickwinkel, aus dem diese Information bewertet wird.

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