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Massenabschiebung via Schönefeld

Bis Ende November brachten Polizei und Ausländerbehörden 419 Menschen außer Landes

Das Brandenburger Innenministerium zieht zwar die freiwillige Ausreise abgelehnter Asylbewerber vor. Wer sich weigert zu gehen, wird aber abgeschoben - wie zuletzt am Dienstag vergangener Woche per Flugzeug.

Die Alternative für Deutschland (AfD) schimpft immer wieder, dass abgelehnte Asylbewerber nicht abgeschoben werden. 5000 von ihnen blieben einfach in Brandenburg, so der Vorwurf.

Die Landtagsabgeordnete Barbara Richstein (CDU) bedauert, dass die rot-rote Regierung auf freiwillige Ausreise setze. »Wir brauchen eine rasche Rückführung derer, die kein Bleiberecht haben«, sagt sie.
Es gibt aber durchaus Abschiebungen, jetzt mehr als früher. Erst am vergangenen Dienstagnachmittag startete auf dem Flughafen Schönefeld eine Chartermaschine mit 165 Passagieren an Bord. Das Flugzeug machte Zwischenstopps im bosnischen Sarajevo, im serbischen Belgrad und landete schließlich im albanischen Tirana. 83 der Menschen, die auf diesem Wege in ihre Heimatländer zurückgebracht worden sind, hatten bis dahin in Brandenburg gelebt, 55 in Berlin und 27 in Hamburg.

Sechs serbische Staatsbürger befanden sich unter den 83 abgelehnten Asylbewerbern aus Brandenburg. Die übrigen 77 waren albanische Staatsbürger. 30 sollen die Gelegenheit genutzt haben, freiwillig in ihre Heimat zu reisen, die anderen wurden abgeschoben – durch die Ausländerbehörden von Frankfurt (Oder) und und Cottbus sowie der Landkreise Prignitz, Oberspreewald-Lausitz, Oberhavel, Uckermark, Oder-Spree, Elbe-Elster und Spree-Neiße.

In den frühen Morgenstunden sind die Leute abgeholt und über drei Bustransferrouten nach Schönefeld geschafft worden, teilte das Innenministerium mit. Rund 130 Polizisten sind dabei im Einsatz gewesen.

»Zur Wiederherstellung geordneter Verhältnisse in der Flüchtlingskrise gehört auch, dass Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland erhalten können, unser Land wieder verlassen«, begründete Innenstaatssekretär Matthias Kahl das Vorgehen. Bei Asylbewerbern aus den Balkanstaaten gehe die Anerkennungsquote gegen Null. »Dort herrscht weder politische Verfolgung noch Bürgerkrieg. Asylbegehren von Staatsangehörigen dieser Länder sind daher in aller Regel aussichtslos«, erklärte Kahl. »Das Asylverfahren muss in diesen Fällen entweder mit der freiwilligen Rückkehr oder notfalls der Abschiebung in das Herkunftsland enden.« Selbstverständlich bevorzugen die Ausländerbehörden und das Innenministerium die freiwillige Ausreise, beteuerte Kahl. Wo sich die Betroffenen weigern, müsse die Ausreise jedoch »konsequent durchgesetzt« werden. »Es kann nicht sein, dass am Ende die Ehrlichen die Dummen, und die mit dem größten Beharrungsvermögen die Gewinner sind«, meinte Kahl.

Bis Ende November sind nach Angaben des Innenministeriums 418 Personen aus Brandenburg abgeschoben worden. Im gesamten Jahr 2014 sind es 112 gewesen. Demgegenüber haben 1380 Flüchtlinge – wieder bis Ende November 2015 – freiwillig das Land Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland verlassen, nachdem ihre Asylanträge abgelehnt worden sind. Im kompletten Jahr 2014 sind es 412 gewesen. Dabei sind jeweils nur jene Menschen gezählt, die finanzielle Unterstützung wie eine Reisekostenbeihilfe oder einen Zuschuss für einen Neustart in der Heimat in Anspruch genommen haben. Darüber hinaus seien weitere freiwillige Ausreisen bekannt, so das Innenressort. Über den genauen Umfang liegen demnach aber keine landesweiten Zahlen vor.
Ende Juni 2015 lebten in Brandenburg 8156 Asylbewerber, 108 Menschen, deren Anspruch auf Asyl anerkannt ist, sowie 3252 abgelehnte Asylbewerber, deren Aufenthalt von den Behörden vorübergehend geduldet wird. Hinzu kamen 1259 anerkannte Kriegsflüchtlinge.

Der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (LINKE) beschwerte sich wegen der jüngsten Abschiebung via Flughafen Schönefeld mit einem sogenannten Sammeltransport. »Allein die völlig empathielose Sprache dieser Erklärung ist mehr als erschreckend«, rügte er das brandenburgische Innenministerium. »Es handelt sich hier um Menschen, die abgeschoben werden und nicht um unerwünschte Postsendungen, die man mal einfach zurückschickt.« Müller forderte das Innenministerium auf, »zu veröffentlichen, wie viele Roma und wie viele Familien mit Kindern unter den Deportierten waren.«

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