Kein Gegenkandidat in Sicht

Berichte über eine heraufziehende Ablösung von Linksparteichef Görke scheinen sich nicht zu bestätigen

Öffentlich ausgetragene Machtkämpfe sind in anderen Parteien keine Seltenheit. Die märkische LINKE tickt anders. Bei ihr funktionieren die vertrauten Tricks und Kniffe deshalb nicht so einfach.

Fast ungerührt nahmen die Mitglieder der märkischen Linkspartei kürzlich zur Kenntnis, dass ihr Landesvorsitzender Christian Görke mindestens zwei weitere Jahre im Amt bleiben möchte. Auf die offizielle Ankündigung hin erfolgte von allein fast keine Reaktion, jedenfalls ist keine öffentlich geworden. Man musste schon bei Genossen nachfragen oder sie anderweitig animieren, um ein Stimmungsbild zu bekommen.

Über die Personalie entscheidet letztendlich am ersten Märzwochenende ein Parteitag im Ahorn-Seehotel Templin. Im Moment sieht es aber so aus, als werde Görke dann der alleinige Bewerber für das Spitzenamt sein. Ein Genosse würde im Moment sogar eine Wette darauf abschließen, dass sich sonst keiner mehr melden wird. Und er ist nicht der einzige, der bezweifelt, dass es hier noch eine Überraschung geben könnte.

In diese Richtung gehen auch mehrere Reaktionen auf eine Nachricht via Kurznachrichtendienst Twitter. Das »neue deutschland« hatte dort gemeldet: »Bestimmt bekomme Görke Gegenkandidaten, erwarten Insider. Mit halbwegs aussichtsreicher Konkurrenz wird aber nicht gerechnet.« Der Bundestagsabgeordnete Thomas Nord stellte daraufhin lakonisch fest: »Anonyme Gegenkandidaten ohne Aussicht auf Erfolg sind immer was besonders Lustiges. Kann man auch Gespensterdebatte nennen.«

»Wachablösung bei Brandenburgs LINKEN in Sicht«, so lautete Ende Oktober eine Schlagzeile in der »Lausitzer Rundschau«. Doch bei dieser Formulierung, so wirkt es jetzt, muss der Blick etwas vernebelt gewesen sein. Dabei hatte das Blatt verlässliche Quellen. Es gibt tatsächlich einige Genossen, die sich fragen, ob der stellvertretende Ministerpräsident Görke zugleich Parteichef sein sollte oder ob eine Rollenverteilung nicht günstiger wäre.

Doch Gelüste, einen Kandidaten zu verhindern, indem ein anderer Kandidat namentlich oder anonym ins Gespräch gebracht wird, die hat es im Laufe der Jahre bei den märkischen Sozialisten immer wieder mal gegeben, wenn Vorstandswahlen auf dem Programm standen. Jetzt war es der Vizelandesvorsitzende Sebastian Walter, der als hoffnungsvolles Nachwuchstalent gegen den aktuellen Vorsitzenden Görke in Stellung gebracht werden sollte. Selten bis nie jedoch kommt bei solchen Aktionen hinter den Kulissen etwas Zählbares heraus. So auch diesmal.

Durchaus ein wenig geschmeichelt ließ Walter sich zitieren: »Ich habe gehört, dass mir Ambitionen nachgesagt werden.« Er machte jedoch auch schnell deutlich, dass er keinesfalls gegen Görke antreten würde. Er möchte zunächst sein Lehrerstudium in der Fächern Geschichte und Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) beenden, schreibt gerade an seiner Abschlussarbeit und begnügt sich vorerst damit, stellvertretender Landesvorsitzender zu bleiben - wenn die Parteitagsdelegierten damit einverstanden sind.

Wer ihn vorgeschoben hat, weiß Walter nach eigenem Bekunden nicht. Da hat er allenfalls Vermutungen, wer die »Lausitzer Rundschau« angesprochen haben könnte. Niemand habe zuvor mit ihm über den Vorstoß geredet, beteuert der Student, den sich einige nach einer Phase der Reife in vier oder sechs Jahren als Landesvorsitzenden durchaus vorstellen können. Insider möchten wie gesagt nicht ausschließen, dass Görke vielleicht doch noch einen Gegenkandidaten bekommt. Aber nur irgendeinen x-beliebigen Genossen ohne Hausmacht und Rückhalt, der seinen Hut dennoch in den Ring wirft und dann kläglich scheitert. Dergleichen ist in der Vergangenheit schon vorgekommen. Doch einen aussichtsreichen Konkurrenten zu finden und in die Spur zu schicken, das dürfte in der verbleibenden Zeit bis zum Parteitag - für wen auch immer - fast unmöglich sein. Denn es herrscht keine Wechselstimmung.

Der Landtagsabgeordnete Sven Petke (CDU) erklärt sich das so, dass die Personaldecke der Sozialisten zu dünn sei. Nach Bekanntwerden von Görkes Kandidatur ätzte Petke per Twitter: »Kommis ohne Nachwuchs. Mr. Minus-Acht-Prozent Görke muss wieder SED-Chef in Brandenburg werden.«

Die Behauptung, der brandenburgischen Linkspartei fehle qualifizierter Nachwuchs, geht aber glatt an der Realität vorbei. Sebastian Walter ist sehr jung, der zweite Vizelandeschef Norbert Müller auch. Außerdem dürfen sich Landesgeschäftsführerin Andra Johlige und Schatzmeister Ronny Kretschmer jung fühlen. Mit einer derart jungen Führungsspitze kann im Bundesland keine andere Partei aufwarten.

Tatsache ist, dass die LINKE bei der Landtagswahl 2009 stolze 27,2 Prozent erhalten und damit das Ergebnis von 2004 fast wieder erreicht hatte. Nach fünf Jahren in der ersten rot-roten Koalition in Brandenburg gab es dann aber bei der Landtagswahl 2014 - mit Finanzminister Christian Görke als Parteichef und Spitzenkandidat - bloß noch 18,6 Prozent. Das kratzt zwangsläufig am Image des Parteivorsitzenden. Doch in Brandenburg gilt die alte Regel, dass man gemeinsam gewinne und gemeinsam verliere. Direkt nach der Wahlschlappe sind keinerlei Rücktrittsforderungen laut geworden und auch nicht, nachdem der erste Schock über das Wahlergebnis verdaut war.

Eine Verlegenheitslösung möchte Görke nicht sein und ist er auch nicht. Seine Bewerbung wird nun entspannt zur Kenntnis genommen, als sei dies im Grunde alles längst klar gewesen. Die Genossen an der Basis beschäftigen sich lieber mit Inhalten, gegenwärtig oft und ausführlich mit der Asylpolitik. Viele engagieren sich aufopferungsvoll in Willkommenskreisen.

Beispielhaft für die Stimmung steht die Auskunft eines älteren Genossen: »Für Personalfragen interessiere ich mich nicht.« Ein jüngerer Genosse muss auf Nachfrage erst einmal überlegen, wie er Görke als Parteichef findet. »Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht«, verrät er. »Begeistert hat er mich früher nicht, aber beim letzten Parteitag soll er eine ausgezeichnete Rede gehalten haben.« Görke hatte in seinen Ausführungen für linke Projekte wie die Gemeinschaftsschule geworben und dabei kaum Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD genommen. Das sprach sich herum. Das kam gut an.

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