»In manchen Staaten ist unser Verständnis linker Politik nicht gewollt«

Wilfried Telkämper zur Auslandsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

  • Lesedauer: 4 Min.

Die Stiftung hat gerade ihr 25. Jubiläum begangen. Welchen Anteil hat die internationale Arbeit an der erfolgreichen Bilanz?
Die internationale Arbeit ist eine große Stütze für die Stiftung. Sie ist etwas jünger als deren Gründungsaktivitäten, aber durch die Strukturen der Finanzmittelvergabe macht der Auslandsbereich etwas mehr als die Hälfte der Mittel aus. Das heißt, wir werden im nächsten Jahr über 30 Millionen Euro haben. Das ist ein politischer Schatz.

Woher kommen die Mittel?
Zum einen Teil vom Auswärtigen Amt, das Geld können wir in Europa ausgeben. Der Großteil der Mittel kommt jedoch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, diese dürfen nur in nichtindustrialisierten Ländern, also Ländern des Südens und EU-Heranführungsländern, verwendet werden. Die Höhe der Zuwendungen an die politischen Stiftungen richtet sich nach den Wahlergebnissen ihrer nahestehenden Parteien, und durch die Erfolge der Linken wächst hier auch die Luxemburg-Stiftung nach einem bestimmten Schlüssel. Das, was wir inhaltlich in unseren Büros machen wollen, reichen wir als Projekte an das jeweilige Ministerium ein. Eine inhaltliche Zensur haben wir dabei bisher übrigens nicht erlebt. Im Rahmen der Gesetze können wir linke Politik umsetzen. Nur die für die jeweils benannten Ziele rechtmäßige Verwendung der Gelder wird kontrolliert, was auch richtig ist.

Die Auslandsarbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Mit derzeit fast 20 Auslandsbüros ist das Zentrum für Internationalen Dialog und Zusammenarbeit (ZID) eine der Hauptsäulen der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Mit Wilfried Telkämper, Leiter des ZID, sprach für „nd“ Uwe Sattler über die weltweite Arbeit der Stiftung und die Pläne für die kommenden Jahre.

Der Inlandsbereich ist von den Geldflüssen abgekoppelt?
Es gibt schon eine Schieflage, weil dieses Geld nur im Ausland verausgabt werden kann. Wenn ich es aber politisch in Deutschland wirken lassen will, dann muss ich mir die Frage stellen, wie ich durch die Projekte im Ausland einen Bezug zu Deutschland herstellen kann. Für mich ist die politische Haltung klar: Linke sind Internationalisten. Wir arbeiten im weltweiten Bereich mit unseren 17 Regionalbüros und dann noch zwei kleineren, einem in Athen und einem neuen in Buenos Aires. Mit unseren Partnern versuchen wir, die Verhältnisse so zu verändern, dass soziale Gerechtigkeit entsteht.

Ich sage immer, die Stiftung muss verstehen, durch die Auslandsarbeit, durch das Zentrum für internationalen Dialog die Stiftung zu denken und diese Möglichkeiten materiell und politisch hier auch in Wert zu setzen.

Die Zahl der Auslandsbüros ist stetig gewachsen. Wie können diese zu einer linken Diskussion hier im Lande beitragen?
Indem sie regelmäßig nach Deutschland kommen, indem wir unsere Partner einladen. Um beim Klima zu bleiben: Wir haben einen Repräsentanten aus Nigeria eingeladen, der aufzeigte, wie die Ölförderung in seiner Heimat, die den Menschen zu 99 Prozent nicht zugutegekommen ist, das Wasser verseucht hat, die Lebensbedingungen massivst beeinträchtigt und die Sterberate in die Höhe getrieben hat. Das Gleiche sehen wir in Südafrika. Dort sagen die Kohlebergleute, dass sie aus dem Kohleabbau herauswollen, um zum Klimaschutz beizutragen, aber die von ihrer Regierung und Investoren als Ausweg angebotene Atomenergie für sie keine Lösung ist. Ähnliche Diskussionen haben wir auch bei uns. Damit haben wir ein großes Nord-Süd-Bündnis.

Welche Aufgaben stellt sich das Zentrum für internationalen Dialog in den kommenden Jahren?
Wir wollen in bestimmten Regionen noch aktiv werden und dort Fuß fassen, wo wir noch nicht vertreten sind. Das ist insbesondere Zentralasien. Auch in Südostasien, in einer boomenden Region, sind wir zu wenig präsent. Zudem werden wir in Europa unsere Aktivitäten ausweiten, insbesondere in den südeuropäischen Ländern.

Ein weiteres großes Thema für uns ist die Ernährungssouveränität. Das ist mehr als Ernährungssicherheit, die natürlich überall garantiert werden soll. Aber mit der Ernährungssouveränität ist die Frage verbunden, wer hat die Macht, wer hat das Recht auf Eigentum, wie sind Gesellschaften organisiert. Wollen wir, dass die internationalen Konzerne die Landwirtschaft kontrollieren, oder wollen wir, dass diese durch die Bauern, durch die ländliche Bevölkerung, durch genossenschaftliche Strukturen organisiert wird?

In einigen Staaten werden ausländische Nichtregierungsorganisationen behindert. Musste die Luxemburg-Stiftung solche Erfahrungen machen?
Ja, wir wollten beispielsweise ein Büro in der Türkei eröffnen. Das ist uns von der türkischen Regierung nicht genehmigt worden – schließlich wollten wir uns auch mit solchen Themen wie Rechte der Kurden und Rolle der Frauen beschäftigen. Aber auch in Ägypten, in Russland und in China wird es schwieriger zu arbeiten. Aus den Interessen dieser Staaten und ihrer Herrschaftsstrukturen ist unser Verständnis linker Politik mitunter nicht gewollt.

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