Russisches Stirnrunzeln

Moskau dementiert US-Aussagen über angeblich vereinbarten Machtverzicht Assads

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein US-Diplomat hat in Russland erklärt, man habe sich auf einen Machtverzicht des syrischen Präsidenten geeinigt. Moskau zeigt sich darüber erstaunt.

Ein Zeitplan für den Rücktritt des syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad sei im Rahmen der sogenannten Wiener Gruppe zur Unterstützung Syriens nicht abgestimmt worden, dementierte Vizeaußenminister Michail Bogdanow, auch Sondergesandter des russischen Präsidenten für Afrika und den Nahen Osten, einschlägige Meldungen. Die Wiener Gruppe, so der Diplomat am Freitag gegenüber der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax, sei dazu gar nicht befugt. Der Sprecher des State Departments in Washington, John Kirby, hatte die Existenz eines konkreten Zeitplans dagegen bereits am Vortag bestätigt. Und russische Zeitungen - wegen der zehntägigen Neujahrsferien erscheinen derzeit nur die Online-Ausgaben - hatten umfänglich daraus zitiert.

Demzufolge soll das 18-monatige Krisenmanagement bereits im Februar anlaufen, für April sind Verhandlungen zwischen Vertretern Assads und der Opposition geplant, beide sollen sich dabei auch auf die Bildung eines gemeinsamen Sicherheitskomitees verständigen, schreibt Lenta.ru., eine Moskauer Onlinezeitung. Eine provisorische Legislative soll dann mit der Vorbereitung von Wahlen beginnen und bis November den Entwurf einer neuen Verfassung vorlegen, über die im Januar 2017 abgestimmt wird. Im August 2017 sollen die Syrer ein neues Parlament wählen. Assad und seine engsten Mitarbeiter sollen ihre Ämter indes bereits bis März 2017 niederlegen. Der Plan sehe auch die Einberufung einer internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau Syriens vor.

Für diesen Plan, so Lenta.ru weiter, habe US-Außenminister John Kerry schon während seiner Konsultationen in Moskau Mitte Dezember geworben, sich jedoch von seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow wie von Präsident Wladimir Putin eine Abfuhr geholt. Der Kremlchef habe klar gemacht, dass weder Russland noch Iran Pläne unterstützen werden, die einen Machtwechsel in Damaskus durch »Druck von außen« vorsehen.

An dieser »prinzipiellen Position«, so jetzt Vizeaußenminister Bogdanow, habe sich nichts geändert. Allein das syrische Volk habe über die Zukunft seines Landes zu bestimmen. Genauso stünde das auch in den Wiener Vereinbarungen.

Russland, so ein mit der Materie vertrauter Diplomat, störe an dem US-Friedensplan vor allem, dass Assad die Teilnahme an Wahlen untersagt werden soll. Er habe nach wie vor zahlreiche Anhänger, deren Rechte dürften nicht geschmälert werden. Washingtons Plan werde nicht einmal bei seinen Verbündeten in der Region Zustimmung finden, glaubt der Diplomat. Für Katar, Saudi-Arabien und die Türkei, die auf sofortigen und bedingungslosen Rücktritt Assads pochen, sei er nicht »radikal« genug. Assad selbst hatte im Herbst im russischen Fernsehen erklärt, er werde sein Amt vor einem Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat, die weite Teile Syriens kontrolliert, nicht aufgeben.

Russische Beobachter glauben, US-Präsident Barack Obama wolle sich mit erfolgreichem Krisenmanagement in Syrien den goldenen Eintrag in die Geschichtsbücher sichern und dränge, weil er bei den Präsidentenwahlen im November nicht mehr antreten darf, auf Tempo. Putin habe mehr Zeit. In Russland wird das höchste Staatsamt erst 2018 neu vergeben. Bis dahin gibt es aus Sicht vieler Medien durchaus Chancen, dass Assads Truppen mit russischer Luftunterstützung die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet wiederherstellen. Davon würden sowohl Assad als auch Moskau bei der Regelung der Nachkriegsordnung profitieren.

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