Schuld ist der politische Gegner

NRW-Landtag debattierte über die sexualisierte Gewalt in Köln

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.

Exakt zwei Wochen nach den massenhaften Gewalttaten gegen Frauen in der Neujahrsnacht insbesondere in Köln, aber auch in anderen Städten, debattierte der nordrhein-westfälische Landtag am Donnerstag über Ursachen, Folgen und Konsequenzen der von Medien sogenannten Horrornacht.

Fraktionsübergreifende Einigkeit herrschte in vielen Punkten: Die Taten waren abscheulich und müssten klar und ohne falsche Rücksichtnahme auf eine »political correctness« benannt werden. Nicht alle Zuwanderer dürften gleichsam in Sippenhaft genommen werden für die Straftaten. Doch müssten unerwünschte Zuwanderer häufiger und schneller abgeschoben werden. Schlimm seien indes auch die im Namen der Selbstjustiz Gewalt ausübenden »Bürgerwehren« marodierender Hooligans, Neonazis und Rotlicht-Mitarbeiter, die derzeit vor allem in Köln und Düsseldorf ihr Unwesen treiben.

Schließlich waren sich auch alle Redner einig, wer schuld sei an all den Teil-Miseren: der jeweilige politische Gegner nämlich. Hoch emotional und intensiv wurde insbesondere die Frage debattiert, wer weniger für die innere Sicherheit getan habe: die amtierende rot-grüne Landesregierung oder ihre schwarz-gelbe Vorgängerin? Gegenseitig hielten sich die Akteure vor, wer mehr Polizisten eingestellt habe, bevor oder nachdem der politische Gegner die Polizei kaputt sparte. Vertreter der drei Oppositionsfraktionen CDU, FDP und Piraten forderten Innenminister Ralf Jäger (SPD) zum Rücktritt auf. Der Staat habe Silvester versagt, der Innenminister müsse die politische Verantwortung übernehmen. Stattdessen wälze er die Schuld auf andere ab.

Sowohl Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) als auch Jäger bedauerten das Versagen. »Es tut mir unendlich leid«, sagte Jäger und entschuldigte sich erstmals. Doch nahm er seine Polizei in Schutz: Sie habe Fehler gemacht, verdiene aber Respekt. Die Zahl der Vergewaltigungen sei in seiner Amtszeit um 20 Prozent zurückgegangen. Er stehe für eine offene Fehlerkultur, betonte Jäger, der wegen diverser Skandale seit langem umstritten ist. Jäger räumte ein, bereits am Neujahrstag über das Ausmaß der Attacken informiert gewesen zu sein.

Oppositionsführer Armin Laschet (CDU) griff Jäger massiv an und warf dem Innenminister multiples Versagen vor. »Wenn die Polizeibehörden versagt haben, wenn der Staat versagt, dann hat auch der Innenminister versagt«, ärgerte sich der Christdemokrat. »Die ungesteuerte Zuwanderung in unser Land muss enden«, forderte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Sein Piraten-Pendant Michelle Marsching spottete, jetzt überböten sich alle Politiker darin, Frauenfreunde zu sein. Doch blieben Frauenhäuser und Opferberatungsstellen unterfinanziert. Abschiebungen in Diktaturen und Kriegsgebiete bedeuteten eine »faktische Todesstrafe«, stellte der fraktionslose Abgeordnete Daniel Schwerd fest.

Rot-Grün hat derweil einen Maßnahmekatalog aufgelegt. Die Landesregierung will unteranderem eine zentrale Anlaufstelle für Opfer der Silvesternacht etablieren. Sie will mehr Stellen in den Staatsanwaltschaften schaffen, um die Verfahren »noch zügiger« zu bearbeiten. »Schnellere Verfahren« und »mehr Polizei vor Ort« lauten weitere Überschriften. Präventionsprogramme gegen sexualisierte Gewalt sollen ausgebaut und die »Integrationsarbeit vor Ort« gestärkt werden.

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