Zahl günstiger Wohnungen wird geringer

  • Dieter Sell
  • Lesedauer: 2 Min.
Aktionsbündnisse in vielen Städten wollen Menschen helfen, die bereits ausgegrenzt sind und es dadurch immer schwerer haben, ein Dach über dem Kopf zu finden.

Mag sein, dass die Kälte draußen die Stimmung im Plenum zusätzlich anheizt. Jedenfalls haben viele Engagierte des Bremer Aktionsbündnisses »Menschenrecht auf Wohnen« an diesem Abend im Januar mächtig Wut im Bauch. »Ach was, Regierung. Wir müssen selbst was machen«, ärgert sich Pete Ording, der auf eigene Faust Hilfen für Obdachlose organisiert.

Die Not ist groß. »In Bremen fehlen trotz der Anstrengungen des Senats und eines extra aufgelegten Bauprogramms tausendfach bezahlbare Wohnungen«, bilanziert Joachim Barloschky, Sprecher des Aktionsbündnisses. Die Folge: Seit Jahren konkurrieren Studenten, Hartz-IV-Bezieher, Menschen mit kleiner Rente, Alleinerziehende und nicht zuletzt Obdachlose um ein bezahlbares Dach über dem Kopf. Und immer mehr Flüchtlinge kommen hinzu.

Die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen sind lang, der Unmut darüber wächst - nicht nur in Bremen. Wie in der Hansestadt haben sich vielerorts Initiativen gegründet, um gegen Wohnungsnot und explodierende Mieten anzugehen: »Kotti & Co« am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg, das Münchner »Bündnis für bezahlbares Wohnen« und das »Mieterforum Ruhr« sind weitere Beispiele einer wachsenden Bewegung.

»Bund und Länder haben den sozialen Wohnungsbau in den 1980er Jahren weitgehend aufgegeben, städtische Wohnungsbaugesellschaften wurden verkauft«, kritisiert Ökonom Matthias Günther vom Pestel-Institut für Systemforschung in Hannover. Zwar seien in den zurückliegenden zehn Jahren jährlich zwischen 10 000 und 12 000 Wohnungen entstanden. Gleichzeitig seien aber jährlich etwa 60 000 bis 80 000 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen.

So reduziert sich trotz neuer Bauprogramme immer noch die Zahl der verfügbaren Sozialwohnungen. Um wenigstens den aktuellen Bestand zu halten - laut Günther sind das 1,6 Millionen - müssten nach seinen Berechnungen jährlich mindestens 130 000 neue Wohneinheiten errichtet werden. Die Not wird von oben nach unten durchgereicht. Wer sich seine teure Wohnung nicht mehr leisten könne, suche sich eine preiswertere, sagt Bertold Reetz von der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Bremen. »Das ist wie eine Kaskade. Unten fallen dann die Schwächsten raus.«

Die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf steigt nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) unaufhörlich. 2014 zählte der Verband rund 335 000 Wohnungslose, das ist ein Anstieg um 18 Prozent seit 2012. Die Schätzungen beruhen auf Umfragen der Bundesarbeitsgemeinschaft in den Kommunen. Bundesweite Statistiken gibt es nicht.

Bis 2018 müsse mit einem Zuwachs um 200 000 Wohnungslose auf dann rund 536 000 gerechnet werden, lautet die Prognose von BAGW-Geschäftsführer Thomas Specht. Das wäre eine Steigerung um etwa 60 Prozent.

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