Alkoholfreies Bataillon für die Krimtataren

Lenur Isljamow formiert Kampftruppe zur Rückeroberung der Halbinsel nach NATO-Standards

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Blockade der Halbinsel Krim will der umstrittene Aktivist Lenur Isljamow ein krimtatarisches Bataillon gründen. Damit geht er seinen radikalen Weg weiter.

Für Lenur Isljamow geht der große Kampf um die Krim weiter. Der russische Staatsbürger, der im ukrainischen Exil lebt und seit September 2015 die »Zivile Blockade der Krim« anführt, will nun einen weiteren Schritt gehen. Die ukrainische Regierung untersagte den Handel mit der von Russland besetzten Halbinsel ab dem 17. Januar, womit das offizielle Kiew eine der Forderungen der Blockade erfüllte. Nun kündigt der Generaldirektor des krimtatarischen Senders ATR Isljamow die Formierung eines eigenen krimtatarischen Bataillons an.

»Wir brauchen noch etwa zwei Monate, bis alles fertig ist. Dieses Bataillon wird eine enorme Rolle für die Zukunft der Krim spielen, denn das sind die Leute, die das neue Leben der Halbinsel nach der Befreiung bestimmen werden«, sagt Isljamow. Er selbst will nach eigenen Angaben einer der Kommandeure der brandneuen Einheit werden. Der langjährige Anführer der krimtatarischen Versammlung Medschlis, Mustafa Dschemilew, möchte aber nicht, dass das Bataillon als rein krimtatarisch bezeichnet wird: »Es wird einige Besonderheiten geben: Kein Alkohol, kein Schweinefleisch. Alle, die das akzeptieren, sind bei uns aber willkommen.«

Die Einheit wird den Namen eines früheren krimtatarischen Ministerpräsidenten der Volksrepublik Krim kurz nach der Oktoberrevolution tragen. Das Bataillon will Isljamow nach Standards der NATO aufbauen: »Es wird 560 Menschen in unserer Einheit geben, das entspricht den Vorschriften der NATO. Stand heute haben wir 251 Leute. Und ich will klarstellen: Wir wollen ein Bataillon gründen, das nicht der Medschlis, sondern der Nationalgarde untergeordnet wird. Wir handeln im rechtlichen Rahmen der Ukraine.«

Allerdings reagiert die Nationalgarde darauf mit wenig Begeisterung. »Im Moment ist es Lenur Isljamow, der die Verantwortung für seine Aussagen trägt. Wir freuen uns über die Initiative, aber sie muss im Rahmen des ukrainischen Gesetzes verwirklicht werden«, kommentiert Swetlana Pawlowskaja, Sprecherin der Behörde. Deren Aussagen sind für Isljamow kein Problem: »Es steht noch nicht auf dem Papier, eine Entscheidung haben wir aber schon getroffen. Keine Sprecherin wird uns daran hindern.«

Das neue Bataillon wird im Regierungsbezirk Cherson stationiert, der an der Grenze zur Krim liegt. Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben nennen die Initiatoren die Sicherung der Rechtsordnung. »Wir wollen vor allem die Stabilität in der Region sichern, damit niemand überhaupt nur auf die Idee kommt, im Bezirk Cherson so etwas wie auf der Krim zu veranstalten«, kündigt Isljamow selbstbewusst an. Und er fügt hinzu: »Wir dürfen keine Territorien mehr verlieren, wir müssen das Verlorene zurück erkämpfen.«

Es ist aber ziemlich unwahrscheinlich, dass die Bevölkerung der Grenzgebiete, die schon unter der Krim-Blockade gelitten hat, die Gründung des krimtatarischen Bataillons mit Begeisterung aufnimmt. Außerdem bleibt es immer noch unklar, warum die Machthaber in Kiew bei Isljamow die Augen zudrücken. Nach der russischen Besetzung der Krim arbeitete dort der russische Geschäftsmann, der unter anderem eine Bank besaß, als Vizepremier in der neuen Regierung von Sergej Aksjonow. Damit verstieß er klar gegen ukrainisches Recht.

Auch führende Politologen haben Aufklärungsbedarf angesichts einer eher dunklen Vergangenheit von Isljamow. »Bei Personen wie ihm haben meine Kollegen und ich eine klassische Frage: Agent oder Idiot? Denn alles, was er macht, spielt dem Kreml in die Hände«, sagt Anton Schechowzow, ein ukrainischer Rechtsextremismus-Forscher, der selbst von der Krim stammt. »Moskau warnte immer vor Radikalen, die in die Halbinsel eindringen wollen. Nun ist diese Gefahr wieder da.«

Das bestätigen auch die Ziele, die Lenur Isljamow in aller Öffentlichkeit anspricht: »Meine persönliche Meinung ist, dass wir die Krim nicht friedlich befreien können. Wir müssen Druck auf Russland ausüben. Und wir müssen bereit sein, in jede Ecke der Krim einzudringen.« Der 50-Jährige sieht für sich selbst keinen Rückweg mehr: »Die Rückeroberung der Krim ist zum Sinn meines Lebens geworden. Ich habe keinen Plan B, ich habe mir ein One-Way-Ticket gekauft.«

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