Grüne sind uneins in der Asylpolitik

Landespolitiker gehen auf Distanz zu Kretschmann

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.

Noch feilschen Union, SPD und Grüne über einen weiteren Kompromiss in der Asylpolitik. Die Regierungsparteien wollen Tunesien, Marokko und Algerien zu »sicheren Herkunftsstaaten« erklären, um Menschen schneller in diese Staaten abzuschieben. Dies ist eine populistische Reaktion der Bundesregierung auf die Übergriffe während der Silvesternacht in Köln, an denen viele Nordafrikaner beteiligt waren. Trotzdem wollen führende Landespolitiker der Grünen das Vorhaben im Bundesrat nicht scheitern lassen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte in den vergangenen Monaten diversen Verschärfungen des Asylrechts zugestimmt. Nach einem Bericht der »tageszeitung« wird er nun von Tarek Al-Wazir unterstützt, der im schwarz-grünen Kabinett in Hessen Wirtschaftsminister ist. Mit den Stimmen aus Hessen und Baden-Württemberg hätte die Große Koalition im Bundesrat eine Mehrheit.

Allerdings soll den Wählern der Grünen das Ergebnis der Verhandlungen mit Union und SPD als Erfolg präsentiert werden. Die Grünen verlangen, dass ein Kompromiss zu einer Altfallregelung für Asylbewerber gefunden werden müsse. Demnach sollen alle Flüchtlinge, die vor dem 31. Dezember 2013 eingereist sind und nur eine Duldung haben, eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Dies würde weniger als 20 000 Menschen betreffen. Unterstützung haben die Grünen hierbei von den Sozialdemokraten, die Union sperrt sich noch dagegen. Damit ist es fraglich, ob die Entscheidung in Bundestag und Bundesrat noch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz Mitte März getroffen wird.

In der Länderkammer würden die von den Grünen mitregierten Länder unterschiedlich über den möglichen Kompromiss abstimmen. Viele Landespolitiker der Ökopartei lehnen die Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als »sicher« ab. Denn die Menschenrechtslage ist dort teilweise katastrophal. Pro Asyl wies darauf hin, dass die Todesstrafe in den drei Ländern bestehe und von Gerichten verhängt werde. Zudem komme es zu Folterfällen und extralegalen Tötungen, Demonstrations- und Meinungsfreiheit seien nicht ausreichend gewährleistet. Die Grünen hatten im November bei einem Parteitag die Ausweitung »sicherer Herkunftsstaaten« als falsch bezeichnet.

»Staaten, in denen beispielsweise Homosexualität unter Strafe steht, kann man nicht abstrakt als sicher einstufen«, erklärte der schleswig-holsteinische Grünen-Fraktionsvize Rasmus Andresen gegenüber »nd«. Das sei »aberwitzig«. Im Eilverfahren überstürzt Menschenrechtspositionen zu opfern, könne aus Schleswig-Holstein keine Zustimmung bekommen, so Andresen.

Ähnlich äußerte sich Nordrhein-Westfalens Grünen-Vorsitzender Sven Lehmann, der unter anderem auf die Verfolgung von kritischen Journalisten und Minderheiten in Nordafrika hinwies. Offene Kritik an Kretschmann vermied Lehmann allerdings. »Wie sich Bundesländer im Bundesrat zu dem Vorhaben verhalten, ist die Entscheidung jedes Bundeslandes«, sagte er dem »nd«.

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