Bolivianer halten an Verfassung fest

Beim Referendum zeichnet sich eine klare Mehrheit gegen eine dritte Wiederwahlmöglichkeit für Evo Morales ab

  • Sebastian Hachmeyer, La Paz
  • Lesedauer: 3 Min.
Laut allen Prognosen und den vorläufigen Ergebnissen hat die bolivianische Bevölkerung einer Verfassungsänderung für eine neue Amtszeit für Präsident Evo Morales eine Absage erteilt.

Das offizielle Endergebnis liegt noch nicht vor, die Tendenz lässt kaum Zweifel: Nach ausgezählten 72,5 Prozent der Stimmen verkündete Boliviens Oberstes Wahlgericht (TSE) 56,5 Prozent für ein Nein und 43,2 Prozent für ein Ja in Sachen Verfassungsänderung. Damit wurden die Prognosen beider bolivianischen Meinungsforschungsinstitute, Mori und Ipsos, bestätigt, die schon Sonntag 20 Uhr Ortszeit einen Sieg der Gegner der Verfassungsreform verkündeten.

Mit dem Ergebnis wurde dem Ansinnen der Bewegung zum Sozialismus (MAS) eine Absage erteilt, ihrem populären Frontmann Evo Morales eine dritte Wiederwahlmöglichkeit für 2019 einzuräumen, die die 2009 verabschiedete und per Volksabstimmung angenommene neue Verfassung nicht vorsieht. Morales selbst hat sich noch nicht zu der Auszählung geäußert.

In den einzelnen Wahlstätten haben die Wahlberechtigten laut TSE ohne gravierende Vorkommnisse ihr demokratisches Wahlrecht ausgeübt. Lediglich in zwei Wahlstätten im Bundesstaat Santa Cruz wurden die Wahlurnen samt Stimmzetteln verbrannt. Die erneute Wahl wurde auf den 23. März angesetzt.

Auf der Plaza Murillo in La Paz, wo sich der Regierungssitz befindet, versammelten sich Menschen, um den Wahlabend zu begehen. Ramiro Calizaya wartete hier auf die ersten Prognosen und die öffentliche Stellungnahme von Morales, die er bei einem Sieg des Ja-Lagers erwarte. Er selbst stimmte für die Verfassungsreform und verwies dabei auf die Errungenschaften für die indigene Bevölkerung, denen umfangreiche Mitbestimmungsrechte eingeräumt wurden. Emilio Pérez hatte bereits früh seine Stimme für Ja abgegeben, trotz vieler Gerüchte und Skandale vor dem Referendum, wie er sagt. Vieles sei von der Opposition skandalisiert worden.

Kurz nach der Veröffentlichung der Prognosen hörte man das Heulen von Sirenen und vereinzelt explodierende Feuerwerkskörper. Die Gegner der Verfassungsreform ernannten sich in den verschiedenen Großstädten Boliviens bereits als Gewinner. Sie sprachen von einem Sieg der Demokratie, welcher der gesamten bolivianischen Bevölkerung zu verdanken sei. MAS-Verantwortliche in verschiedenen Bundesländern verwiesen auf die Tatsache, dass noch keine offiziellen Zahlen vorliegen.

Vizepräsident Álvaro Garcia Linera sagte in einer Stellungnahme, Bolivien erlebe einen »klassischen und technischen Wahlpatt«, der auf den »dreckigen Krieg der Opposition« zurückzuführen sei. Er verwies auf ältere Prognosen von Mori und Ipsos, die sich im Nachhinein als ungenau erwiesen haben. Sowohl die Stimmen im Ausland als auch jene aus entfernt gelegenen Gemeinden - in beiden würde die MAS-Partei große Zustimmung erhalten - würden in den schnellen Prognosen beider Institute nicht berücksichtigt. Demnach seien sie in den Reihen der MAS-Partei sehr »optimistisch, dass sich auch dieses Mal die nicht-offiziellen Ziffern der MAS-Partei modifizieren werden« und raten der Opposition von ihrer »unnötigen und erzwungenen Wahlparty« ab.

Einer der Gegner der Verfassungsreform ist der aus Potosí stammende Journalist Walter Mendoza. Potosí ist eines der Bundesländer, die laut Prognosen mehrheitlich gegen die Verfassungsreform stimmte. Mendoza zufolge sei eine Änderung der Verfassung als Präzedenzfall zu betrachten, wobei spätere Regierungen die Verfassungsänderung als legitimen Normalfall betrachten würden.

Es ist letztendlich die Situation eingetroffen, vor der Mendoza gewarnt hatte: Die Teilung der Bevölkerung in Befürworter und Gegner der Regierungspartei. Ein Sieg des Nein dürfte politische Instabilität bringen und die weiteren vier Jahre Regierungsarbeit der Morales-Regierung erheblich erschweren. Bis ein offizielles Endergebnis vorliegt, wird sich die bolivianische Bevölkerung noch gedulden müssen.

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