Menschenrechte auf dem Basar
Neuer Koalitionsstreit über Mittel für Flüchtlingsintegration / De Maizière verhandelt in Nordafrika
Berlin. Die Linie zu verfolgen, auf welcher der SPD-Vorsitzende läuft, ist nicht immer leicht: Erst fordert Sigmar Gabriel eine Art Sozialpaket für Deutsche - weil so viel Geld für Flüchtlinge ausgegeben werde, und die »eigenen Bürger« darob nicht vergessen werden dürften. Nun macht der Wirtschaftsminister ein Integrationspaket für Asylsuchende zur Bedingung für eine Zustimmung seiner Fraktion zum Bundeshaushalt 2017. »Sprachförderung, Schulen und Kitas bauen, Lehrer und Erzieher einstellen, Ausbildung und Qualifizierung fördern: Das alles müssen wir jetzt anpacken«, so Gabriel gegenüber der »Bild am Sonntag«. Das Geld dafür will die SPD in den nun beginnenden Beratungen zum Haushalt 2017 einfordern. »Ohne Integrationspaket kann die SPD dem Haushalt gewiss nicht zustimmen.« Gabriel verwies darauf, dass dank der guten Wirtschaftslage das nötige Geld vorhanden sei.
Ähnlich hatte sich auch SPD-Generalsekretärin Katarina Barley in der »Rheinischen Post« geäußert. »Um die vielen Flüchtlinge mit Bleibeperspektive in Gesellschaft und Arbeitsmarkt einbinden zu können, brauchen wir künftig zwischen drei und fünf Milliarden Euro jährlich«, sagte sie.
Zuvor hatte Gabriel angesichts der Aufwendungen für Flüchtlinge eine stärkere soziale Förderung der deutschen Bevölkerung gefordert. Kanzlerin Angela Merkel gab er indirekt Mitschuld am Aufstieg der AfD. »Wenn der CDU in dieser Situation der Überschuss an Steuern im Haushalt wichtiger ist als der gesellschaftliche Zusammenhalt, dann macht sie sich mitschuldig an der Radikalisierung im Land«, so Gabriel. »Der Eindruck, wir würden unsere eigenen Bürger vergessen, darf sich nicht festsetzen.«
Nicht nur Linksfraktionsvize Jan Korte findet, dass Gabriel mit seiner Tonlage sozial Schwächste gegeneinander ausspielt. In der Union war ebenfalls der Zungenschlag des SPD-Vorsitzenden auf Kritik gestoßen.
Finanzielle Unterstützung von der EU für die Flüchtlingsintegration wird es wohl nicht geben. Die EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hat sich am Wochenende gegen zusätzliche finanzielle Hilfen für Deutschland ausgesprochen.
Derweil dringt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf eine schnellere Rücknahme abgelehnter Asylbewerber durch die Maghreb-Staaten. »Wir erwarten, dass die Rückübernahmeverfahren effizienter und schneller werden«, sagte er der Deutschen Presseagentur vor Beginn einer dreitägigen Reise in die nordafrikanischen Länder Marokko, Algerien und Tunesien am Sonntag. Haupthindernis bei Abschiebungen in die Maghreb-Länder seien fehlende Reisedokumente, so der Minister.
Die Linkspartei kritisierte de Maizières Reise scharf. Er opfere in Nordafrika »die Menschenrechte auf dem Altar der Flüchtlingsabwehr«, erklärte die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen. In Marokko seien die Rechte auf freie Meinungsäußerung sowie die Verbands- wie Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet. Agenturen/nd
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