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Schnitzel ohne Schwein

Das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik forscht an vegetarischem Fleischersatz

  • Elmar Stephan, Quakenbrück
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch Fleischesser greifen immer häufiger zu vegetarischen Schnitzeln oder anderen fleischähnlichen Produkten. Kaum bekannt ist, dass die Produktionsmethode der von Erdnussflips ähnelt.

Die Herstellung von Lebensmitteln kann ganz schön laut sein: In der Laborhalle des Deutschen Instituts für Lebensmitteltechnik herrscht ohrenbetäubender Lärm. Institutsmitarbeiter Florian Singer steht auf einem Podest neben einer etwas mehr als mannshohen Apparatur und kippt gemahlenes Sojamehl in einen Trichter. Was in der Anlage passiert, entzieht sich dem Auge. Am Ende aber quillt wie aus einer Tube eine flache, graue Teigmasse heraus. Singers Kollege Hendrik Thoben schneidet mit einem Messer etwa 50 Zentimeter lange Rechtecke ab und legt sie in eine Kiste. Der erste Schritt zu einem fleischlosen Schnitzel ist gemacht.

Wer sich mit vegetarischen oder gar veganen Schnitzeln, Burgern oder Würstchen ernähren will, wird mittlerweile in jedem normalen Supermarkt fündig. Der Umsatz mit Fleischersatzprodukten ist nach Angaben des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, dem Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, in den vergangenen vier Jahren um 88 Prozent gestiegen.

Auch Nahrungsmittelhersteller, die ihren Namen mit Wurst- und Fleischprodukten gemacht haben, bieten inzwischen fleischlose Produkte an. So hat der Wursthersteller Rügenwalder Mühle aktuell 16 solcher Produkte im Angebot, etwa vegetarischen Aufschnitt, Schnitzel oder vegetarisches Hack-»Fleisch«. Inzwischen seien auch die ersten veganen Produkte auf dem Markt, sagt Godo Röben, der bei dem Lebensmittelhersteller Marketing, Forschung und Entwicklung verantwortet: »Ende 2015 haben vegetarische Produkte einen Anteil von circa 20 Prozent am Umsatz unseres Unternehmens erreicht.«

Wettbewerber Wiesenhof bietet seit vergangenem September ebenfalls vegane Fleischwurst und Mortadella an. Bald sollen weitere Produkte im Handel sein, unter anderem ein vegetarisches Tiefkühlschnitzel, sagt der Geschäftsführer des Wiesenhof-Marketings, Ingo Stryck. »Wir sind bislang sehr zufrieden mit der Markteinführung und erhalten für unsere Veggie-Linie viel Lob - vor allem von Verbrauchern«, sagt er und verweist auf Rückmeldungen über die Wiesenhof-Webseite.

Seinen Ausgang nimmt das fleischlose Schnitzel oder der Chicken-Nugget in einer Produktionsanlage wie der, die beim Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) in Quakenbrück im Osnabrücker Land steht. Das DIL wurde in den 1980er Jahren gegründet und leistet für die mittelständischen Lebensmittelhersteller in der Region Forschungs- und Entwicklungsarbeit.

Das angewendete Verfahren nenne sich Extrusion, und sei im Prinzip dieselbe Methode, mit der auch Erdnussflips hergestellt werden, erklärt DIL-Sprecher Sebastian Biedermann. Der Rohstoff - in diesem Fall Sojamehl - wird durch zwei gegenläufige Schnecken getrieben. Unter dem Einfluss von Druck, Hitze und Wasser entsteht die Teigmasse, die aber im Unterschied zu den Flips am Ende nicht fluffig aufploppt, sondern von ihrer Textur und späterem »Mundgefühl« her an Fleisch von Schwein, Rind, Geflügel oder Fisch erinnern soll.

»Das Geheimnis liegt in den Kühldüsen«, sagt Biedermann. Der Teigrohling wird nach der Extrusion noch einmal gekühlt, und am Ende kommt ein pflanzliches Produkt mit den erwähnten Eigenschaften von Fleisch heraus: »Was da auf molekularer Ebene passiert, wissen wir noch nicht.« Zehn Jahre lang hat das DIL Biedermanns Angaben zufolge an der Technik geforscht, die inzwischen weltweit im Einsatz ist.

Der »natürliche« Geschmack des Fleischersatzes aus Pflanzen ist neutral. Wer von dem aus der Maschine quellenden Teigrohling kostet, meint, ein Stück essbarer Pappe im Mund zu bewegen. Endgeschmack und -aussehen bekommt das Produkt in der Weiterverarbeitung, indem es etwa mariniert und portioniert wird, erklärt Biedermanns Kollege Singer. Dabei kommen Ingredienzen wie Farbstoffe oder Geschmacksverstärker dazu - Stoffe, die viele gesundheitsbewusste Vegetarier oder Veganer nicht auf ihrem Teller haben wollen.

»Je höher der Verarbeitungsgrad eines Lebensmittels ist, desto mehr Zutaten und Zusatzstoffe kommen zum Einsatz«, sagt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Generelle Aussagen seien aber wegen der Vielfalt der Produkte schwierig. Ein einfaches Tofuprodukt sei vom Verarbeitungsgrad her ähnlich wie Käse. »Wenn sich jemand vegan ernährt und ersetzt das Fleisch einfach durch hoch verarbeitete Fleischersatzprodukte, landet er damit nicht unbedingt bei einer ausgewogenen, vollwertigen veganen Ernährung«, sagt die Ernährungswissenschaftlerin - es komme darauf an, wie oft man so etwas esse. Wer auf Fleisch verzichte, verzichte zwar auf Cholesterin, aber auch auf das wichtige Vitamin B 12. Veganer sollten daher dauerhaft zu entsprechenden Nährstoffpräparaten greifen. dpa/nd

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