AKW bleiben Sicherheitsrisiko

Routineuntersuchungen bleiben bei fünf von acht verbliebenen Meilern aus

  • Susanne Schwarz
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat eine neue Studie über die Sicherheit der AKW in Deutschland vorlegt.

Fünf Jahre nach der Atomkatastrophe im japanischen AKW Fukushima und 30 Jahre nach dem Supergau im ukrainischen Tschernobyl fühlt sich Deutschland sicher. Schließlich ist der deutsche Atomausstieg längst beschlossene Sache, der Bundestag hat mehrere Expertenkommissionen eingesetzt, die den Rest regeln sollen. Doch wie »der Rest« aussehe, darüber mache sich kaum noch jemand Gedanken, kritisiert Hubert Weiger, Chef der Umweltorganisation BUND.

In Berlin stellte er am Dienstag die neue Studie seines Hauses vor. »Atomstrom 2016 - sicher, sauber, alles im Griff?« heißt sie. Nein, sagt Weiger. »Seit der Atomausstieg beschlossen wurde, hat der Druck der Bevölkerung nachgelassen.« Dabei sei eine Atomkatastrophe auch in Deutschland keinesfalls unmöglich.

Die Studie führt auf: Nur zwei der acht verbliebenen Reaktoren würden noch die regulären Sicherheitsprüfungen durchlaufen, die alle zehn Jahre Pflicht sind. Ein AKW wird genau zehn Jahre nach seiner letzten Überprüfung abgeschaltet und ist deshalb nicht mehr dran. Die anderen fünf allerdings sind durch eine Sonderregelung von der Pflicht entbunden: Liegt die Abschaltung nur noch drei oder weniger Jahre in der Zukunft, darf die »Routine-Untersuchung« ausbleiben. Die Reaktoren Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 werden demnach 13 Jahre keinen Sicherheitscheck erlebt haben, wenn sie in Rente gehen.

Aber selbst wenn die Zeit bis 2022 ohne einen Atomunfall vergeht, bleibt noch die Frage nach dem Verbleib des radioaktiven Mülls. Jahrzehntelang muss er voraussichtlich noch in oberirdischen Zwischenlagern aufbewahrt werden, bis ein Endlager gefunden ist. »Das wird wahrscheinlich erst zur Jahrhundertwende der Fall sein«, so Weiger. Die Genehmigungen für die Zwischenlager laufen allerdings bis 2047 alle aus. Die Studie attestiert ihnen zudem Sicherheitslücken: Gegen Flugzeugabstürze und Terroranschläge seien sie nicht geschützt.

Der BUND fürchtet zudem, die Atomkonzerne könnten sich aus der Verantwortung schleichen, was Sicherheitsfragen angeht, aber auch die Finanzierung des Atomausstiegs. Die »Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs«, die das verhindern soll, hatte im Februar einen Vorschlag dazu vorgelegt. Kern ist ein staatlich kontrollierter Fonds. Das Problem: Die Atomkonzerne haben zwar 38 Milliarden Euro dafür zurückgelegt, sie dürfen diese aber auch anlegen. Die Rückstellungen für den AKW-Rückbau sind also in Kraftwerke und Stromnetze investiert - keineswegs sicher, finden Kritiker der Praxis.

»Die Konzerne verstehen es, sich vom Verursacherprinzip loszusagen«, sagte Weiger. »Wir müssen uns wohl damit anfreunden, dass es einen öffentlich-rechtlichen Fonds für den Atomausstieg geben wird.« Im Prinzip befinde sich Deutschland »in Geiselhaft«, so der Umweltschützer. Denn: Wenn die AKW-Betreiber pleite gehen, nützt das der Finanzierung des Atomausstiegs natürlich auch nichts. »Dass sich Staat und Steuerzahler auf bestimmte Lasten vorbereiten müssen, ist keine Frage - aber der aktuelle Vorstoß stellt das Verursacherprinzip an sich in Frage.« Das eröffne, so Weiger, noch ganz andere Probleme. Das Verursacherprinzip ist nämlich im Umweltrecht sehr wichtig. »Werden die Atomkonzerne einfach aus der Verantwortung entlassen, bekommen die Nutzer anderer Risikotechnologien Rückenwind.«

Der atompolitische Sprecher der Linksfraktion, Hubertus Zdebel, forderte in Hinblick auf die neue Studie, die Bundesregierung solle sich auch für den Atomausstieg der deutschen Nachbarländer einsetzen: »Brokdorf, Grohnde oder Gundremmingen müssen genauso abgeschaltet werden wie die maroden Atommeiler in Frankreich, Belgien und der Schweiz.«

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