Probleme im Spielfeld

»Theater ohne Probe: Im Sinne von Brecht« in der Brotfabrik

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Natürlich. Hosenträger. Hier wird künstlerisch an Brecht erinnert. »Theater ohne Probe: Im Sinne von Brecht« folgt dessen Konzept vom epischen Theater aus den 1920er Jahren als heute interaktives Improvisationstheater. Der Anspruch Brechts, durch diese Theaterform gesellschaftliche und politische Veränderungen zu erreichen, lässt sich kaum umsetzen. Aber Denkanstöße sind durchaus drin, gesellschaftliche Prozesse werden in neuem oder anderem Zusammenhang gesehen.

Für gewöhnlich versprechen Improtheater jede Menge Spaß. Einige Gruppen verweisen deshalb Politik aus ihrem Spiel. Doch das eine muss das andere nicht ausschließen. Die Schauspielergruppe um Thomas Jäkel, die einmal monatlich in der Brotfabrik viel Zuspruch findet, stellt sich gesellschaftlichen Problemen. Und das durchaus unterhaltsam - auch das im Sinne Brechts.

Die Schauspieler schaffen sich für den Auftritt ein Spielfeld. Innerhalb der weißen Markierung spielen sie. Treten sie heraus, kommunizieren sie mit dem Publikum. Die Zuschauer sind politisch interessiert. Dementsprechende Themen schlagen sie fürs Spiel vor. Flüchtlingskrise, Miteinander, Füreinander, Abgeben, Radikalisierung der Gesellschaft, über den Gartenzaun sehen...

Das Spielfeld wird zur Kleingartenanlage »Zum fröhlichen Kolonisten«, wo Horst Schauinsland - ein arbeitsloser Gärtner im umzäunten Alleinsein - als Vorsitzender agiert. Unruhe kommt auf. Eine Frau mit Kopftuch wurde vorm Kolonietor ausgemacht.

Man hat bereits die Grundstücke für Gartenzuwanderer verkleinert. Eine Kleingärtnerin schweift schon mit Petitionen gegen Fremdes durchs Gelände. Nachbarin Frieda Glockenblume will das wie Horst nicht unterschreiben, meint aber, sie könne die Pflanzen nicht noch dichter setzen. Gegen Soziallegastheniker sprechen sich beide aus. Dennoch fällt die Entscheidung auf neue Mitglieder, die die Außengrenzen der Anlage gut zu schützen wissen.

Es kommt auch zur Konfrontation. Ein Mann greift die Kopftuchfrau körperlich an, weil sie sich ihm sexuell verweigert. Sie spuckt. Das Publikum klatscht. »Warum haben Sie jetzt applaudiert?«, kommt da Jäkel aus dem Spielfeld. Niemand antwortet. Aber das war kein Applaus für den Aggressor. Er galt dem Mut der Schauspieler, das Thema so unverblümt aufzugreifen.

Überraschende Gleichnisse zur Angst vor Ungewohntem erarbeiten die Schauspieler. Musikalisch begleitet sie dabei Dr. Simon Schönfeld auf verschiedenen Instrumenten, der sichtlich Freude an dem Theater zeigt. Und sie legen noch eins drauf. Da ist ein Garten, in dem nix wächst. Ilona Lentz und Caroline Erikson machen an Thomas Jäkels Seite aufmerksam auf Fürsprache des Bundestags, die Zulassung für das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat zu verlängern.

»Theater ohne Probe« ist politisch bestens informiert und will auch darüber reden. Nach der Vorstellung lädt die Truppe dazu ein.

Nächster Termin: 15.3., 20 Uhr, Brotfabrik, Caligariplatz 1, Weißensee

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