Netzagentur verstopft Sylt-Trasse

Bahn-Chaos um die Insel trifft viele Arbeitnehmer

  • Dieter Hanisch, Niebüll
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sich mit dem Zug nach Sylt bewegt, der hat seit einigen Monaten oft Ärger. Der Urlauberansturm zu den Ostertagen könnte sogar für noch mehr Chaos sorgen: Konkurrierende Bahnanbieter auf zu wenig Schienenkapazität - das kann nicht gut gehen!

Genau diese Erkenntnis hatte bereits Ende 2015 - kurz vor Inkrafttreten des aktuellen Fahrplans - auch das Kieler Verkehrsministerium schriftlich der Bundesnetzagentur mitgeteilt. Die hatte bei der Trassenvergabe auf der Fernstrecke Hamburg - Westerland, die die Autozüge beinhaltet, überhaupt nicht auf die bestehende Schienenlogistik, deren Auslastung und tatsächliche Befahrbarkeit geschaut. Dort, wo bisher nur DB-Autozüge als Sylt-Shuttle unterwegs waren, darf nun für zehn Jahre auch die private US-Tochterfirma Railroad Development Corporation (RDC) Reisende und ihre Autos über den Hindenburgdamm nach Sylt befördern. Vorerst sind 98 Fahrten pro Woche bewilligt.

Doch die RDC hat bis heute noch gar keine einzige Fahrt auf der Strecke vorgenommen, weil man sich noch in der Aufbauphase des Lok- und Waggonparks sowie der Belegschaft befindet. Zudem wird noch eine längere Testphase benötigt. Auf der RDC-Homepage ist immer noch die Rede von einer Betriebsaufnahme im Frühjahr - ein genauer Zeitpunkt wird nicht genannt. Dem Vernehmen nach peilt man nun Mitte April an.

Neben den Autozügen ist zudem noch der Nahverkehr vom nordfriesischen Festland auf die Insel und zurück zu bewältigen. Die Bahn bietet inzwischen den Sylt Shuttle Plus (SSP) als zusätzliche Offerte an, dabei werden reguläre Schienentriebwagen von der nordfriesischen Kurzstrecke Bredstedt - Niebüll an den Autozug angekoppelt. Die Folge: Zusätzliche Rangiermanöver mit An- und Abkuppeln insbesondere in Niebüll sorgen immer wieder für verspätete Züge, was wiederum die Nahverkehrspendler und somit viele Arbeitnehmer trifft. Auch Bahnübergänge sind länger geschlossen, Sylter Einzelhändler fürchten um die pünktliche Anlieferung von Gütern und Waren.

Die Zahl der Berufspendler ist mit der Zeit auf rund 4000 angewachsen, weil Wohnraum auf der luxuriösen Insel immer knapper und unbezahlbarer geworden ist. Diese Bahnkunden nutzen aber meist wie bisher das Nahverkehrsangebot der Nord-Ostsee-Bahn (NOB), weil dies billiger ist als die zusätzliche SSP-Offerte. Somit sind die angekoppelten SSP-Triebwagen oft nahezu leer.

Das Kieler Ministerium hatte in seinem Brief an die Netzagentur zwar grundsätzlich den Wettbewerb im Schienenverkehr begrüßt, doch zugleich seine Sorge zum Ausdruck gebracht, dass sich die Situation zum Nachteil für Sylt auswirkt. RDC erhebt in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe gegen Mitbewerber DB Sylt Shuttle. Dieser habe nur deshalb die Zahl seiner Fahrten erhöht, weil er einen anderen Anbieter von den Gleisen fernhalten wolle und nicht weil es einen höheren Passagierbedarf gebe. Als möglicher Verlierer des Konkurrenzkampfes, wenn RDC erst einmal rollen sollte, sieht sich die NOB.

Mit Spannung blicken die Beteiligten jetzt auf den Osterverkehr. Sylts Tourismusdirektor Peter Douven hält den zweispurigen Ausbau der Strecke Niebüll/Westerland für unausweichlich. Die Vergaberichtlinien der Netzagentur sollten seiner Ansicht nach nicht erlösoptimiert sondern versorgungsoptimierend sein. Und Peter Schnittgard, Sylter Bürgervorsteher, ist sich sicher: Was im Fahrplan stehe, sei derzeit gar nicht umsetzbar.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal