Smoltczyk warnt vor »Datenschutz zweiter Klasse«

Datenschutzbeauftragte: Freiheitswerte dürfen nach Anschlägen in Brüssel nicht aufgegeben werden

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die neue Berliner Datenschutzbeauftragte, Maja Smoltczyk, hat sich nach den Terroranschlägen in Brüssel zurückhaltend zu Forderungen nach einem engeren Datenaustausch zwischen europäischen Sicherheitsbehörden geäußert. Zugleich warnte sie vor möglichen Verstößen gegen den Datenschutz im Zuge der Flüchtlingspolitik. Bei der Vorstellung des Berliner Datenschutzberichts 2015 am Mittwoch benannte Smoltczyk datenschutzrechtliche Bedenken in mehreren Themenbereichen, die den Berlinern besonders auf den Nägeln brennen. Dazu gehörten das sogenannte GPS-Tracking im Job oder die Weitergabe von privaten Gesundheitsdaten etwa in Seniorenheimen oder durch technische Geräte wie Fitnessarmbänder.

Angesichts der Terroranschläge in Brüssel, bei denen am Dienstag bislang bis zu 34 Menschen getötet und 230 verletzt wurden, sagte Smoltczyk, es sei »völlig klar«, dass sich nach solchen Ereignissen »die Parameter verändern und auch verändert werden müssen«. Dennoch müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen auch bei einem geforderten, engeren Datenaustausch der europäischen Nachrichtendienste erfüllt bleiben. Terroristen wollten mit den Anschlägen die westlichen Werte und somit auch die Freiheitswerte angreifen. Smoltczyk betonte: »Diese Werte dürfen unter dem Druck nicht aufgegeben werden.«

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte nach den Anschlägen erneut einen besseren europaweiten Austausch von sicherheitsrelevanten Daten gefordert. In Krisenzeiten habe die Sicherheit Vorrang. Europas Sicherheitsbehörden sollten deshalb untereinander enger Daten austauschen, hatte der Innenminister erklärt.

Bedenken hat die Berliner Datenschutzbeauftragen auch im Bereich der Flüchtlingspolitik. Berlin ist das erste Bundesland, das seit einigen Wochen an alle neu ankommenden Flüchtlinge den neuen Flüchtlingsausweis ausgibt. Bis Ende Mai soll der neue Ausweis bundesweit flächendeckend eingeführt sein. Auf die dabei erhobenen Daten der Asylsuchenden sollen alle Bundes- und Landesbehörden zugreifen können. Nach Angaben der Berliner Datenschützer werden dabei auch sensitive Daten wie etwa der Gesundheitszustand, familiäre Schicksale oder die Religionszughörigkeit gespeichert. Es müsse sichergestellt werden, dass nicht alle Bediensteten innerhalb einer Behörde auf die Daten zugreifen können, heißt es im Berliner Datenschutzbericht 2015. Für Flüchtlinge dürfe es keinen »Datenschutz zweiter Klasse« geben.

Wie Smoltczyk weiter betonte, hat es im vergangenem Jahr in Berlin mehr als 1.500 Beschwerden zu möglichen Verstößen gegen den Datenschutz in Berlin gegeben. Im Vorjahr habe die Zahl bei rund 1.400 gelegen. Der Jahresbericht 2015 listet beispielhaft insgesamt 104 Anliegen auf.

So beschwerten sich Mitarbeiter von mehreren Handwerksbetrieben, weil sie während der Arbeitszeit von ihren Chefs mit GPS-Tracking-Geräten ausgestattet wurden. Dies habe ein »ständiges Überwachungsgefühl« und »psychischen Druck« erzeugt, sagte Smoltczyk. Sie mahnte, Ortungssysteme dürften nicht zur Verhaltens- und Leistungskontrolle genutzt werden.

Auch die Weitergabe ärztlicher Gesundheitsakten an Betreiber von Seniorenheimen sei »nicht zulässig«, betonte die Datenschutzbeauftragte weiter. Die Betreiber seien private Unternehmen, denen nicht einfach extern angefertigte Gesundheitsakten überlassen werden dürfen. Auch die Anfertigung von sogenannten Biografiebögen von hochbetagten Senioren müsse auf freiwilliger Basis erfolgen und dürfe keine Pflicht in Seniorenheimen sein.

Bedenken äußerte Smoltczyk auch beim Thema »Wearable Computing«. Fitnessarmbänder und andere tragbare Messgeräte könnten beim Nutzer »wie elektronische Fesseln« wirken. Die Datenschutzbeauftragte warnte insbesondere vor Anwendungen, bei denen Fitness- oder Gesundheitsdaten in Clouds, also Onlinespeichern, gesammelt werden. Solche Daten könnten in die Hände von Dritten gelangen und sich auf den Tarif in Krankenkassen oder auf Arbeitsverhältnisse auswirken, warnte Smoltczyk. epd/nd

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