Böhning: »Es gibt keinen Filz«

Chef der Senatskanzlei verteidigt im Sonderausschuss freihändige Vergabe an McKinsey

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Hauptausschuss im Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Mittwoch in einer Sondersitzung mit den Vertragsverhältnissen zwischen Berliner Senat, McKinsey und dem SPD-Mann Lutz Diwell.

Jeder Mensch lässt Nervosität körperlich ab. Der eine rollt die Augen, andere rutschen unruhig auf Stühlen hin und her. Bei Björn Böhning (SPD) ist es augenscheinlich der linke Fuß, der ins Rotieren gerät, wenn es heikel wird. Mehrere Stunden musste der Chef der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) am Mittwoch den Abgeordneten im Hauptausschuss Rede und Antwort stehen. Zentrales Thema der Sondersitzung: die Vertragsverhältnisse zwischen dem Land Berlin und der privaten Beratungsagentur McKinsey, die für die Erstellung des »Masterplan Integration und Sicherheit« auch den ehemaligen Staatssekretär und SPD-Mann Lutz Diwell beschäftigte. Seit Tagen wurde in den Medien über eine mögliche Bevorteilung des Parteifreundes durch die Senatskanzlei spekuliert.

Gleich zu Beginn der von einem hohen Medieninteresse begleiteten Sondersitzung stellt Böhning fest: »Es gibt keinen Filz - wir haben eine Vergabe gemacht, eine Direktvergabe.« Dass der Auftrag an McKinsey für 238 000 Euro nicht wie vorgeschrieben rechtzeitig dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses angezeigt wurde, sondern erst am 17. Februar 2016, dafür entschuldigte sich Böhning. Ansonsten sei bei der Vergabe an McKinsey aber alles in Ordnung gewesen. Der Senat habe sich damals in der Unterbringungskrise ganz bewusst dafür entschieden, externe Unterstützung einzuholen, stellt Böhning klar. Es sei darum gegangen, Tempo zu machen und gemäß den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) »flexibel« auf die Situation zu reagieren.

Für die Opposition aus Grünen, LINKEN und Piraten bleiben dennoch Fragen. »Die freihändige Vergabe ist nicht durch das Haushaltsrecht gedeckt«, sagte die Sprecherin für Wirtschaft und Haushalt der Grünen-Fraktion, Nicole Ludwig.

Viele Fragen gab es auch zum Zeitplan der Auftragsvergabe und ab welchem Zeitpunkt der Senatskanzlei bekannt war, dass Lutz Diwell im Auftrag von McKinsey an der Erstellung des Masterplans für Integration und Sicherheit mitarbeitet. »Mit welcher Motivation wurde auf einem solchen merkwürdigen Weg der Auftrag vergeben?«, wollte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Steffen Zillich, wissen.

Nach Darstellung Böhnings hatte er ganz allein am 28. Dezember 2015 kurz nach Weihnachten entschieden, McKinsey zu beauftragen. Vom SPD-Mann Lutz Diwell, der noch im Oktober für den Chef der Senatskanzlei ein Rechtsgutachten verfasst hatte, sei zu diesem Zeitpunkt keine Rede. gewesen. Auch nicht am 5. Januar 2016, als Böhning McKinsey mündlich über die Vergabe unterrichtete. »Wir seitens der Senatskanzlei haben McKinsey beauftragt, wir haben keinen Unterauftragsnehmer von McKinsey beauftragt«, betont Böhning. Er wisse nicht, zu welchem Zeitpunkt Lutz Diwell als Unterauftragsnehmer bei McKinsey ins Spiel gekommen sei. »Der Senatskanzlei liegen keine Informationen zur Honorierung von Lutz Diwell vor.«

Für die Opposition stellt sich aber auch die Frage, warum ausgerechnet McKinsey beauftragt wurde? Die Befassung mit diesem Komplex nimmt weite Teile der Sondersitzung ein. Erst erklärt der Senatskanzleichef, McKinsey habe exklusive Daten für den Masterplan geliefert. Nach weiterer Kritik begründet Böhning die Beauftragung mit der Erstellung von Analysen, die das Unternehmen auf Grundlage seiner Daten erarbeitet habe. Also wie sich etwa der Familiennachzug entwickelt. »McKinsey hat exzellente Arbeit geleistet«, sagt Böhning. Das sieht die Opposition auch am Ende der Sitzung weiter anders.

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