Im Werteghetto

Uwe Kalbe über de Maizières Integrationsmissverständnis

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 1 Min.
Wenn der Bundesinnenminister ein »erfolgreiches Absolvieren« von Integration gesetzlich abverlangen will, liegt ein Missverständnis zugrunde - die Bewilligung von Asyl ist kein Lohn für Wohlverhalten.

Die Bundesregierung sagt der Ghettobildung den Kampf an. Entsprechende Überlegungen widmet Bundesinnenminister de Maizière den Flüchtlingen in Deutschland, was nicht überraschend ist, weil Ghettos generell nur dann als problematisch gelten, wenn Migranten sie bilden – während sie im Falle geschlossener, gesicherter Wohnviertel für Gutbetuchte, von Armenvierteln mit deutschstämmiger Einwohnerschaft oder gar von Vierteln, die Nazis als »national befreit« deklarieren, noch keinen Minister zu Gesetzesvorstößen veranlasst haben. Integration wäre in all diesen Fällen hilfreich, um Polarisierung und sozialen Verwerfungen entgegenzuwirken.

Parallelgesellschaften kann man durchaus integrationshemmend nennen, auch wenn sie zuweilen Vorteile weit über den Kreis der Einwanderer hinaus haben, wovon Chinatown in New York ebenso zeugt wie das Holländische Viertel in Potsdam. Doch wenn der Bundesinnenminister ein »erfolgreiches Absolvieren« von Integration gesetzlich abverlangen will, liegt ein Missverständnis zugrunde. Denn Integration ist nicht Maßeinheit für Unterwerfung, auch nicht für Unterwerfung unter de Maizières Sicht auf Integration selbst, der Niederlassung als Lohn für gute Deutschnoten in Aussicht stellt. Die Bewilligung von Asyl ist kein Lohn für Wohlverhalten, sondern eine Pflicht, die aus der Anerkennung einer Verfolgungssituation des Betroffenen resultiert. Und so lange die Zahl der Deutschkurse nicht den erwiesenen Bedarf deckt, ist es der Staat selbst, der Integrationsdefizite aufweist.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal