Ex-Propagandist distanziert sich vom Dschihad

Anwerber für den sogenannten Islamischen Staat ist vor dem Berliner Kammergericht angeklagt

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Berliner Kammergericht verhandelt seit Donnerstag bis voraussichtlich Mitte Mai gegen einen mutmaßlichen Hassprediger, der für die Teilnahme am »heiligen Krieg« des IS geworben haben soll.

Der Bart ist ab beim 30-jährigen Gadzhimurad K., alias Murad Atajev. Die Handschellen werden ihm erst zu Prozessbeginn abgenommen. Die Szene ist martialisch. Er sitzt - frisch rasiert - hinter Panzerglas, an seiner Seite zwei Sicherheitsbeamte in Kampfmontur. K. hat sein Äußeres verändert, wohl um der Öffentlichkeit mitzuteilen: Ich habe meine mörderische salafistische Gesinnung abgelegt, die Untersuchungshaft seit Oktober 2015 hat mich geläutert.

Gadzhimurad K., russischer Staatsbürger und Imam einer Moabiter Moschee, ist angeklagt, ein Unterstützer der Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) zu sein und in einem selbst erstellten, russischsprachigen Video namens »Härte im Dschihad« für die Teilnahme am »heiligen Krieg« geworben zu haben. Außerdem soll er die Enthauptung eines US-amerikanischen Journalisten und die öffentliche Verbrennung eines abgeschossenen jordanischen Piloten bei lebendigem Leib befürwortet haben. Damit habe er Kriegsverbrechen öffentlich gebilligt, so die Anklage der Generalbundesanwaltschaft.

In dem etwa 25-minütigen Video werden die islamistischen Verbrechen mit Hinweis auf den Koran befürwortet. Die Enthauptungen von Gefangenen geschähen nach dem Willen Allahs und seien deshalb zu begrüßen. Zwar habe er Verständnis für alle, die nicht in den Krieg ziehen, doch habe man so kaum eine Chance, in die Höhen des Paradieses aufzusteigen. 100 Stufen würden dorthin führen, die Aussitzer würden am unteren Ende der Leiter hängen bleiben. Deshalb die Empfehlung, sich den islamischen Mörderbanden anzuschließen. Bei der Ermordung des Piloten sei es um das göttliche Prinzip »Auge um Auge« gegangen. Der Pilot habe gemordet, also sei es gerechtfertigt, ihn auf diese Weise hinzurichten. In einer von den Anwälten verlesenen Erklärung distanzierte sich K. von seinen Aussagen. Er sei ein Anderer geworden und habe sich von der salafistischen Szene losgesagt. Er sei auch bereit, bei der Identifizierung von Salafisten zu helfen. Ansonsten wäre es nicht seine Überzeugungen gewesen, die er da propagiert habe. Er habe nur einen Vortrag eines anderen Mufti des IS ins Russische übersetzt und dann ins Internet gestellt. Es war mehr ein offenes Diskussionsforum von Befürwortern und Gegnern des »Heiligen Krieges«. Was sagt der Islam zum Enthaupten, diese Frage habe er vertiefen wollen. Ich fühlte mich damals geschmeichelt, als Propagandist des IS auftreten zu dürfen, so seine heutige Erklärung. Jetzt nennt er das Ganze einen Irrweg, den er nun - auch für seine Frau und seine Kinder - verlassen habe. Der arbeits- und berufslose Gadzhimurad K. war 2002 illegal und unter falschen Namen nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Da er aber aus der zu Russland gehörenden Kaukasusrepublik Dagestan stammt und die Gefahr der Verfolgung bestand, wurde er von den deutschen Behörden nicht abgeschoben. K. soll enge Kontakte zum »Emir von Wedding«, Ismet D., haben, der seit Januar vor Gericht steht. Ismet D. ist wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Auch D. soll die Morde des IS gerechtfertigt haben, auch er ließ erklären, er sei falsch verstanden worden.

Zwischen dem Strafsenat, Bundesanwaltschaft und Verteidigung hat es im Vorfeld der Verhandlung Gespräche gegeben. So könnte es geschehen, dass bei einem umfassenden Geständnis und der Unterstützung der Aufklärung weiterer Straftaten am Ende ein Urteil gesprochen wird, das bei dreieinhalb Jahren Haft liegt. Auf K. wartet allerdings noch ein weiteres Verfahren.

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