Gefährliche Rabatte

Datenschützer warnen vor Gesundheits-Apps und fordern gesetzliche Regelungen

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Smartphonenutzer nutzen Programme, die bei gesunder Lebensweise helfen sollen. Datenschützer sehen jedoch Probleme.

Schon knapp ein Drittel der Bevölkerung ab 14 Jahren nutzt Gesundheits-Apps und sogenannte Fitness-Tracker. Ob auf dem Smartphone oder über uhrenähnliche Zusatzgeräte, es werden jede Menge Daten erhoben. Die kleinen Programme sind oft kostenlos, die Nutzer zahlen dennoch bereitwillig und unbesorgt - mit ihren Daten. Die sollen in Zukunft effektiver geschützt werden, fordern Datenschützer von Bund und Ländern.

Dazu sollten Weitergabe von Gesundheits- und Verhaltensdaten an Dritte gesetzlich geregelt werden oder erst nach einer wirksamen Zustimmung erfolgen. So jedenfalls die Forderung auf der Frühjahrskonferenz der Datenschützer am Donnerstag in Schwerin. Verlangt wurden auch datenschutzfreundliche Technik und Voreinstellungen. Personenbezogene Informationen sollten möglichst vermieden und Daten am besten anonymisiert verarbeitet werden.

Die Gesundheitsdaten gehen bisher über das Internet an die Anbieter und weitere Unternehmen im Hintergrund. Von den Nutzern selbst darf man vermutlich in der Datenschutzfrage am wenigsten erwarten: Die Aufzeichnungen dienen ja der Gesundheit, das kann nicht schlecht sein, argumentieren viele. Einen bewussteren Umgang mit Daten fordern die Bundesbürger dagegen dann, wenn es um persönliche Gesundheitsdaten geht, die in Arztpraxen und Kliniken erfasst wurden. Hier wünschen sich laut einer Umfrage 87 Prozent einen direkten Zugang.

Die interessierten Unternehmen lassen nicht nur Algorithmen in ihre Programme integrieren, die komplette Persönlichkeitsprofile erstellen. Sie erfassen aus der Masse der Daten auch Nutzertypen und Muster, die sich für abgeleitete Produkte verwenden lassen. Versicherer gieren geradezu nach umfassenden Informationen über das Kundenverhalten. Schon Unfälle mit dem Auto führen in der Regel zur Verteuerung entsprechender Versicherungen, das Prinzip kann auch im Gesundheitsbereich angewendet werden. Der private Versicherer Generali will noch 2016 einen »Vitality«-Tarif starten - bei dem es Beitragsrabatte für gesunden Lebensstil geben soll.

Erste Modelle sind bereits auf dem Markt, eines bietet sogar die gesetzliche Krankenkasse AOK Nordost an. Hier wird gesundes Verhalten - ein bestimmtes gemeldetes Fitnesspensum - mit einem Bonus belohnt, auch in bar einzulösen. Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung ist damit vielleicht noch nicht ausgehebelt, aber zumindest in Frage gestellt. Genau vor solchen Vorteilsversprechen warnten die Datenschützer in Schwerin.

Die Nutzung der erhobenen Daten ist dabei nur ein Teil dessen, was die App-Anbieter interessiert. Der Zugriff auf weitere Angaben zum Nutzer eines Smartphones ist oft schon integriert, ohne dass es bemerkt wird. Neben diesem Datenhunger sind auch andere Probleme bei Gesundheits-Apps aufgefallen: Es fehlen häufig Angaben dazu, wie fachlich fundiert die Aussagen sind und welche Quellen verwendet wurden. Viele der kostenlosen Apps bieten Zusatzmodule oder Bücher an, die dann zu bezahlen sind. Wirtschaftliche Motive der Anbieter bleiben ansonsten in der Regel verborgen. Auch das für gewerbliche Anbieter verpflichtende Impressum fehlt häufig, so die unabhängige Testplattform HealthOn aus Freiburg.

Dennoch sehen Mediziner und Kassen auch Vorteile in den kleinen Gesundheitsprogrammen: Sie könnten den Ärzten genauere Daten liefern und bessere Entscheidungen begründen. Zumindest technikaffine Anwender wären über ihren Gesundheitszustand besser informiert und womöglich aktiver. Unter dem Strich könnten Einsparungen für die Kassen stehen.

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