Erdogan stellt persönlich Strafantrag gegen Böhmermann

Bericht: Türkischer Staatschef soll über Münchner Kanzlei selbst aktiv geworden sein / Ermittlungen gegen ZDF-Moderator damit wahrscheinlicher / Kabarettist Hallervorden legt gegen Erdogan nach

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Affäre um eine mögliche Strafverfolgung des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann zieht immer weitere Kreise: Laut migazin.de hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan nun auch noch persönlich Strafanzeige gestellt. Wie das Portal unter Berufung auf informierte Kreise in Ankara meldet, habe der autoritär agierende Staatschef über eine Münchener Rechtsanwaltskanzlei einen Strafantrag gegen Böhmermann wegen dessen als Schmähgedicht bezeichneten Satire gestellt. »Damit wird die Staatsanwaltschaft gegen Böhmermann ermitteln, egal ob die Bundesregierung dem Strafverlangen der türkischen Regierung grünes Licht gibt«, heißt es bei migazin.de.

Über diese Frage will die Bundesregierung in den kommenden Tagen entscheiden. In dem Fall geht es um den Vorwurf der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Dies kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe geahndet werden, bei verleumderischer Absicht, sogar mit bis zu fünf Jahren. Voraussetzung ist neben dem Strafantrag der Türkei auch die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Verfahren. Das Anliegen der Regierung in Ankara werde »sorgfältig geprüft«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die Prüfung werde nicht Wochen dauern, »aber schon ein paar Tage«.

Ein mögliches Verfahren gegen den Satiriker stieß quer durch die Parteien auf Skepsis. »Ich finde es unmöglich, dass die türkische Regierung massiv interveniert und in Deutschland die Strafjustiz aufmarschiert sehen möchte«, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dem Nachrichtensender n-tv. »Ich finde, das sollten wir uns nicht bieten lassen.« SPD-Generalsekretärin Katarina Barley sagte, sie sei »im Zweifel für die Kunst- und Meinungsfreiheit«. Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht erklärte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse sich schützend vor die Kunstfreiheit stellen und der von Ankara geforderten Strafverfolgung Böhmermanns »eine klare Absage erteilen«. Die Bundesregierung mache den Fall Böhmermann »zur Staatsaffäre, wenn sie als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Erdogan fungiert«. Die Medienexpertin der Grünen, Tabea Rößner, warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sie habe »der Presse- und Kunstfreiheit einen Bärendienst erwiesen«. Merkel sei im Falle Böhmermanns aktiv geworden und habe zum Hörer gegriffen. »Es ist eine verheerende Botschaft, die Angela Merkel sendet: Die Presse- und Kunstfreiheit wird Staatsinteressen untergeordnet.«

CDU-Generalsekretär Peter Tauber verteidigte das Vorgehen der Bundesregierung. Die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter sei strafbar, und »dann kann man nicht einfach sagen, wir haben zwar eine Rechtsnorm, aber die interessiert uns nicht«. Er betonte zugleich: »Ob es überhaupt eine Beleidigung ist, das müssten dann unabhängige Gerichte im Zweifel prüfen.«

Unterdessen wartete auch der Kabarettist Dieter Hallervorden mit einer Erdogan-Satire auf: In einem am späten Sonntagabend auf seiner Facebook-Seite veröffentlichten Lied machte er sich über Erdogan lustig und bezeichnete den Präsidenten unter anderem als »Terrorist, der auf freien Geist nur scheißt«. »Jetzt erst recht!«, schrieb der Berliner Kabarettist mit Blick auf Erdogans Vorgehen gegen satirische Beiträge in Deutschland. Der Schunkelsong beginnt mit der Zeile »Erdogan, zeig' mich bitte auch mal an«, am Ende mahnt Hallervorden: »Deutschland ist nicht Kurdistan.« Agenturen/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal