- Politik
- AFD in Nordrhein-Westfalen
Grünen-Politiker spricht von Verrat
AfD erhält überraschend Vize-Bürgermeisterposten in Nordrhein-Westfalen
Gut anderthalb Monate sind die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen her. Seit der ersten Novemberwoche beginnen sich Stadträte, Bezirksvertretungen und Kreistage zu konstituieren. Die Besonderheit in dieser Legislaturperiode: Vor der Wahl fand die AfD in zahlreichen Städten und Kreisen gar nicht statt. Fraktionen gingen zu Bruch, AfD-Vertreter*innen verloren die Lust oder waren nicht in der Lage, in den Parlamenten mitzuarbeiten. Das hat sich jetzt geändert. Die AfD hat im Landesschnitt 14,4 Prozent geholt. In kriselnden Städten wie Hagen, Duisburg und Gelsenkirchen wurde sie zweitstärkste Fraktion und schaffte es sogar in die Stichwahl ums Oberbürgermeister*innenamt. Von der unbedeutenden Kleinpartei ist die AfD zu einem ernsthaften politischen Faktor geworden. Das zeigt sich schon zu Beginn der Wahlperiode.
In manchen Städten, etwa Duisburg, hatte man sich auf den Erfolg der AfD vorbereitet und etwa die Zahl der stellvertretenden Bürgermeister*innen reduziert. Denn diese werden proportional nach der Größe der Parteien vergeben.
Auch in Bochum-Wattenscheid hatten sich SPD, Grüne, CDU und UWG:Freie Bürger zusammengetan für die Wahl der Bezirksbürgermeister*in und ihrer zwei Stellvertreter*innen. Die Rechnung dahinter ist einfach. Posten wie der des Bezirksbürgermeisters werden nach dem D’Hondt-Verfahren vergeben. Das funktioniert so: Die Stimmen für eine Liste werden durch die zu vergebenden Posten geteilt. In Wattenscheid bekam die Liste von SPD, Grüne, CDU und UWG:Freie Bürger bei der Wahl in der Bezirksvertretung 13 Stimmen. Die AfD bekam fünf Stimmen – eine mehr als sie Mitglieder in der Bezirksvertretung hat. Dadurch steht ihr der Posten des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters zu. Cedric Santowski, der sein Instagram-Profil dafür nutzt, gegen Antifaschist*innen zu pöbeln, wird nun Vize-Bezirksbürgermeister von Wattenscheid.
In Bochum ist die Aufregung nach der Wahl Santowskis groß. Bezirksvertreter*innen sprechen gegenüber der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« (Waz) von einem »Schock« und einer »Niederlage für die Demokratie«. Noch drastischer drückt sich der Grünen-Bezirksvertreter Oliver Buschmann aus: »Es reicht nicht, dass ich die nächsten fünf Jahre mit vier Rechtsextremen in diesem Gremium sitze. Jetzt ist auch noch ein Verräter an unserem demokratischen System dazugekommen.« Und auch von der Linken kommen deutliche Worte: »Zum ersten Mal seit 1945 hat in unserer Stadt wieder ein Vertreter einer Partei, die als rechtsextremistisch eingestuft wird, ein repräsentatives Amt inne«, heißt es in einer Mitteilung der Partei. In der Linken habe die Wahl »Bestürzung« ausgelöst, ergänzte Fraktionssprecher Horst Hohmeier.
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In Wattenscheid denkt man nun schon über die Abwahl des Vize-Bezirksbürgermeisters von der AfD nach. Dazu gibt es aber unterschiedliche Ansichten. Manche fürchten ein Scheitern, wenn wieder jemand ungeplant gegen das Abwahlverfahren stimmt. Ein CDU-Vertreter befürchtet, dass man sich dann der »Lächerlichkeit« preisgebe und der AfD ein Thema schenke. Es wird wohl dauern, bis man sich in Wattenscheid auf den weiteren Umgang mit dem AfD-Erfolg geeinigt hat.
Ein Einzelfall ist Wattenscheid nicht. In Velbert, einer 80 000 Einwohnerstadt zwischen Essen und Wuppertal, wurde am Dienstag ein AfD-Politiker sogar zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt. Die extrem rechte Partei erhielt dort sogar sieben Stimmen mehr, als sie Sitze im Rat hat. Eine Reduzierung der Stellvertreterposten hatte die Ratsmehrheit abgelehnt. Bei nur zwei Vize-Bürgermeistern wäre die AfD dann nicht zum Zuge gekommen. In vielen Städten konstituieren sich die Kommunalparlamente noch. Weitere rechte Überraschungserfolge sind wahrscheinlich.
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