Aufstand gegen die Selbstamnestie in Skopje

Krawalle und Festnahmen nach erneuten Protesten in Mazedoniens Hauptstadt / Präsident hatte korrupte Spitzenpolitiker begnadigt

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 2 Min.
Mazedonien schlittert nach der Entscheidung von Präsident Ivanov, alle wegen Machtmissbrauchs ins Visier der Sonderstaatsanwältin geratenen Politiker zu begnadigen,immer tiefer in die Krise.

Erst flogen Eier, dann die Steine. »Mafia!«, »Ohne Recht kein Frieden!«, skandierten einige Tausend Menschen in Mazedoniens Hauptstadt Skopje, während sich jugendliche Demonstranten in der Nacht zum Donnerstag erneut heftige Scharmützel mit der Polizei lieferten. Nicht nur die Scheiben des Amtssitzes von Staatschef Gjorge Ivanov gingen zu Bruch. Auch die Vermittlungsbemühungen der EU zwischen Regierung und Opposition scheinen gescheitert. Die Parteien müssten zurück an den Verhandlungstisch, twitterte am Donnerstag eher hilflos EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn. Doch ein fragwürdiger Amnestiebeschluss lässt den Balkanstaat immer tiefer in die Krise schlittern. Völlig überraschend hatte der Präsident in dieser Woche 56 Politiker und Geschäftsleute der ihm nahestehenden Regierungspartei VMRO-DPMNE von allen strafrechtlichen Nachstellungen der erst im Herbst eingesetzten Sonderstaatsanwaltschaft zur Verfolgung von Regierungskriminalität amnestiert.

Angeführt wurde die Begnadigungsliste der in einen Korruptions- und Abhörskandal verwickelten Politiker vom langjährigen Premier und VMRO-Chef Nikola Gruevski, der früheren Innenministerin Gordana Jankulovska und Ex-Geheimdienstchef Sasa Mijalkov. Sie stehen im Verdacht des Amtsmissbrauchs, systematischen Wahlbetrugs, der Korruption und des illegalen Abhörens von über 20 000 Mitbürgern. Die Veröffentlichung von Mitschnitten ließ vor Jahresfrist die Dauerkrise im labilen Vielvölkerstaat eskalieren. Es war die EU, die vergangenen Sommer Opposition und Regierung an den Verhandlungstisch brachte. Zwar trat Dauerpremier Gruevski unter Vorbehalt im Februar wie vereinbart vorläufig ab. Doch weil die versprochene Säuberung der mit Scheinwählern aufgepumpten Wahllisten ausblieb, hatte die Opposition zu Monatsbeginn bereits den Boykott der schließlich auf den 5.Juni verschobenen Parlamentswahl angekündigt. Mit der umstrittenen Amnestie hat der Präsident nun auch noch den letzten Schlüsselpunkt der Vereinbarung vom Sommer ausgehebelt. Der Präsident habe sich der regierenden »kriminellen Vereinigung« angeschlossen - und das Abkommen mit der EU »begraben«, sagt verbittert der sozialdemokratische Oppositionschef Zoran Zaev.

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