Virenjagd mit Steckbrief

  • Iris Rapoport, Boston und Berlin
  • Lesedauer: 2 Min.

Auch Bakterien haben Feinde. So können sie sogar - wie wir - von Viren befallen werden. Einziges Ziel dieser Viren ist die eigene Vermehrung. Doch an der Schwelle zum Leben stehend, können sie das ohne einen Wirt nicht verwirklichen. Viren, die sich auf Bakterien spezialisiert haben, werden Bakteriophagen genannt. Sie programmieren mit ihrer DNA die Bakterien um und zwingen sie zur Virus-Produktion. Eine fatale Bedrohung! Die Bakterien versuchen, das Eindringen zu verhindern. Doch viele Viren sind raffiniert und überwinden die Barrieren.

Manchmal begehen infizierte Bakterien dann Harakiri. Sie bilden ein Gift, und indem sie sich selber vernichten, hat auch das Virus keine Chance. So werden die anderen Bakterien geschützt. Weitaus eleganter ist es, feindliches Erbmaterial zu zerstören, bevor neue Viren gebildet werden. Bakterien besitzen besondere Werkzeuge dazu. Man nennt sie Restriktionsendonukleasen. Diese Enzyme erkennen die Nukleinsäuren eingedrungener Viren an bestimmten Aufeinanderfolgen von Bausteinen als fremd und zerschneiden sie, bevor Unheil geschieht.

Eine chemische Maskierung der entsprechenden Basenfolgen im bakteriellen Genom verhindert einen Angriff auf die eigene DNA. Restriktionsendonukleasen gehören zur Grundausstattung der Bakterien. Deshalb kann man diese Verteidigungsstrategie, obgleich der Mechanismus ein ganz anderer ist, mit unserem angeborenen Immunschutz vergleichen. Dazu gibt es auch bei Bakterien ein Schutzsystem, das anpassungsfähig ist wie unsere erworbene Immunität.

Schon länger waren merkwürdige Bereiche in der DNA von Bakterien bekannt, die CRISPR genannt wurden - Clustered Regulatory Interspaced Short Palindromic Repeats: Aneinandergereihte Palindrome, die immer wieder durch unterschiedlichste, kurze DNA-Stücke unterbrochen werden. Doch deren Bedeutung blieb lange verborgen. Schließlich wurde erkannt, dass die zwischengeschalteten kurzen DNA-Stücke Teile des Erbgutes von Viren sind. (DOI: 10.1016/j.cell.2015.12.041)

Gelangt ein Virus in ein Bakterium, dann wird ein Stück seiner DNA als genetischer Steckbrief in das Bakteriengenom geheftet! Genau in die Palindrom-Folge hinein. Dort stört es den Informationsgehalt der DNA des Bakteriums nicht. Doch von dieser Steckbrief-DNA ausgehend, werden kleine RNA-Moleküle produziert. Diese RNA schützt die Bakterien, äquivalent zu dem, wie uns Antikörper schützen. Dringen solche Viren erneut in die Bakterien ein, dann lagert sich die RNA spezifisch an deren DNA an. Und das Entscheidende: Gleichzeitig wird ein DNA-spaltendes Enzym, Cas9 (CRISPR-assoziierte Nuklease 9) genannt, rekrutiert, das das Erbgut der feindlichen Viren zerstört. Dabei geht diese Form der Immunität noch über das uns Mögliche hinaus - da die Steckbriefe im Genom des Bakteriums gespeichert sind, kann sie sogar vererbt werden!

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