Reihenweise droht die Insolvenz

Klagen und neues Gesetz: Christoph Links sieht die Existenz unabhängiger Verlage in Gefahr

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 6 Min.
Ein Gespräch mit dem Verleger Christoph Links über einen am Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung stehenden Prozess gegen die VG Wort und warum sich gerade unabhängige Verlage davon bedroht sehen.

Inwiefern ist es eine Attacke auf die Verlage, wenn die Rechte von Urhebern gestärkt und ihnen eine angemessene Vergütung garantiert werden soll?
Das neue Urhebervertragsrecht hat ein lobenswertes Ziel. Aber es hatte zumindest im ersten Referenten-Entwurf Passagen, die die Verlage, zumal die unabhängigen, existenziell gefährdet hätten. Es war vorgesehen, dass Autoren nach fünf Jahren aus der laufenden Verwertung heraus die Rechte an einen höher Bietenden weiterverkaufen könnten.

Was wäre daran so schlimm?
Ein Verlag investiert viel in die Durchsetzung eines neuen Werkes. Es wird ein gründliches Lektorat vorgenommen, und es werden Veranstaltungen organisiert. Wir im Sachbuchbereich kaufen oft teure historische Bildrechte dazu, wir lassen Karten zeichnen, wir recherchieren Dokumente und bereiten sie auf, wir holen juristische Gutachten ein. Und wenn das alles geschehen ist, hätte Amazon kommen und mehr bieten können. Dabei ist ein Buch oft nicht in der Erstauflage amortisiert; Gewinne kommen erst mit Nachauflagen oder mit Auswertungen im Taschenbuch oder im Buchklub. Wenn uns das alles weggenommen wird, dann können wir auch nicht mehr so viel in die Entwicklung von Büchern investieren.

Christoph Links

Auf der Leipziger Buchmesse 2016 wurde der Ch. Links Verlag mit dem Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet.

Christoph Links nutzte seine Dankesrede, um auf »rechtliche und politische Rahmenbedingungen« aufmerksam zu machen, die sich für Verlage als existenzbedrohend erweisen könnten.

Zum einen hob er auf den Entwurf für ein neues Urhebervertragsrecht ab, zum anderen auf einen Prozess gegen die VG Wort, der an diesem Donnerstag vor dem Bundesgerichtshof entschieden werden soll.

Sie haben im Justiz- und im Wirtschaftsministerium vorgesprochen und eine Rede im Kulturausschuss des Bundestages gehalten - offenbar mit Erfolg.
Beim zweiten Entwurf, der im März das Kabinett passiert hat und jetzt im parlamentarischen Verfahren ist, sind neue Regelungen getroffen worden. Nunmehr heißt es, dass Autoren, die nur eine Pauschalvergütung bekommen haben, das Recht erhalten, nach zehn Jahren ihr Werk einem zweiten Anbieter parallel zu verkaufen.

Können Sie damit leben?
Wir finden die jetzige Regelung akzeptabel, bleiben aber wachsam. Es gibt im parlamentarischen Verfahren immer Änderungsbemühungen. Tatsächlich gibt es jetzt Vorstöße, diesen Passus wieder zu ändern.

Von wem?
Unter anderen von Hörfunk- und Fernsehjournalisten, die ein Interesse daran haben, ihre Rechte selber noch mal verwerten zu können, wenn sie von den Sendern nicht an weiteren Auswertungen beteiligt werden.

Liegt das Problem darin, dass in diesem Gesetz keine Differenzierung stattfindet zwischen den einzelnen Branchen?
Genau. Es ist ein Gesetz, das der Vielfalt der Kulturbereiche nicht gerecht wird. Da bräuchte es Ausnahme- oder Einzelregelungen. Wir haben in Deutschland seit 1901 ein Verlagsrecht, auch darin könnte man das gesondert regeln und uns aus dieser pauschalen Gesetzes-Neufassung herausnehmen, die vorrangig auf die schlechter berücksichtigten Autoren im Film- und Medienbereich abzielt.

Ein weiterer Problempunkt ist der juristische Versuch, Verlage von den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften auszuschließen. Dabei sind die Verlagsleistungen, die Sie ansprachen, ja auch eine Art Urheberleistung.
Natürlich erbringen wir Verlage in der Regel auch sehr viele urheberrechtlich kreative Leistungen. Die Auseinandersetzung um die VG Wort und den Verteilerschlüssel rührt genau an diesen zentralen Punkt, nämlich: Haben auch die Verlage ein Recht darauf, einen Anteil an der Leistung zu erhalten, wie das in anderen Branchen durchaus üblich ist.

Nur für Buchverlage gibt es kein eigenes Leistungsschutzrecht?
So ist es. Wir haben bisher auch nie eines gefordert, weil wir die Arbeit, die wir in unsere Bücher stecken, durch die Beteiligung im Verteilerschlüssel der VG Wort angemessen abgedeckt fanden.

In Belgien hatte der Druckerhersteller Hewlett Packard gegen die dortige Verwertungsgesellschaft Reprobel geklagt und vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen. Jetzt steht in Deutschland ein vergleichbarer Prozess auf dem Plan, das Urteil des Bundesgerichtshofs wird an diesem Donnerstag erwartet. Hier ist der Kläger ein Autor, der Jurist Martin Vogel.
Die Fälle unterscheiden sich aber. Bei der deutschen Klage geht es um die Aufteilung zwischen Autoren und Verlagen. Bei dem belgischen Prozess ging es nur darum, dass die Gerätehersteller von Kopiergeräten, Druckern und ähnlichen Dingen weniger zahlen wollten. Dort ist der Autoren-Anteil nicht erhöht worden, sondern die Geräteindustrie ist von ihrem Anteil für die Verlage entlastet.

In Deutschland würden bei einem entsprechenden Urteil die Autoren hingegen den Anteil der Verlage zusätzlich bekommen?
Genau. Und wir Verlage müssten die Gelder, die wir in den letzten drei Jahren von der VG Wort bekommen, zurückzahlen. Im Falle des Ch. Links Verlags wären das 51 000 Euro. Verlage, die dieses Geld nicht binnen eines halben Jahres zurückzahlen könnten, müssten Insolvenz beantragen. Das würde reihenweise unabhängige kleinere, aber auch größere Verlage treffen. Denn natürlich haben wir diese Gelder, die wir als gerechten Anteil dafür betrachten, was wir in die Werke an Leistung stecken, längst in neue Bücher investiert.

Aber das gültige Urheberrecht scheint dem Kläger Recht zu geben.
Moment. In Deutschland haben wir eine andere Rechtslage. In der Begründung des Urhebergesetzes wurde 2008 bewusst formuliert, dass auch in Zukunft die Verleger angemessen an den Erträgen der VG Wort zu beteiligen sind. Autoren und Verlage haben 1958 gemeinsam die VG Wort gegründet und bisher immer gemeinsam für diese Verteilung gestanden.

Warum dann jetzt die Klage?
Das Problem ist dadurch entstanden, dass auf europäischer Ebene 2001 eine neue Richtlinie verabschiedet wurde. Darin steht, dass die Urheber zu beteiligen sind. Auf diese Formulierung zielen die Klagen ab: Laut europäischer Richtlinie seien nur die Urheber, nicht die Verlage zu beteiligen. Das war der Grund für die Kulturstaatsministerin Monika Grütters und den Justizminister Heiko Maas, sich gemeinsam an den zuständigen EU-Kommissar Günther Oettinger zu wenden. Sie haben danach ersucht, die Formulierung dahingehend abzuändern, dass es den nationalen Gesetzgebern ermöglicht wird, Regelungen zu treffen, die auch eine Beteiligung der Verlage erlauben.

Eine solche Klarstellung steht aber aus?
Ja. Um eine neue EU-Richtlinie mit allen 28 Staaten hinzubekommen, braucht es ein bisschen Zeit. Erst, wenn es eine solche Präzisierung gibt, könnte auch in Deutschland anders geurteilt werden. Deshalb bin ich für den 25. Mai als Vertreter der Kurt-Wolff-Stiftung nach Brüssel eingeladen, um vor Fraktionen des Europäischen Parlaments die Position der unabhängigen deutschen Verlage darzulegen. Auf der Gegenseite ist der Kläger Martin Vogel geladen. Es wird auch ein Vertreter der Initiative Urheberrecht dabei sein und ein Vertreter der VG Wort, also zwei Befürworter und zwei Gegner dieser Regelung. Und wir werden dann versuchen, den europäischen Parlamentariern jeweils unsere Standpunkte darzulegen.

Bevor das auf europäischer Ebene auch nur diskutiert werden kann, wird der BGH sein Urteil fällen - vermutlich zulasten der Verlage.
Das muss nicht so sein. Ich sehe zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Revisionsantrag abgewiesen, das hieße, die bisherige Verteilungspraxis wäre ungültig. Es kann aber auch sein, dass die Richter sagen, die Materie ist im europäischen Rechtszeitalter nicht von einer nationalen Seite allein zu entscheiden, und sie wollen die Präzisierung der Richtlinie abwarten. In diesem Falle würden sie noch kein endgültiges Urteil treffen.

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