Königliche Hutablage
Eingeschnappte Exzellenzen sind vor Gericht bald ganz normale Bürger
Berlin. Geschmäht und verspottet wurde die Queen schon oft - wegen ihrer Kopfbedeckungen, Marotten, Verwandten und Hofschranzen. Kein Wunder: Elizabeth II. amtiert seit mehr als 64 Jahren als britische Königin, und am Donnerstag feierte sie mit allem Pomp ihren 90. Geburtstag. Viel Zeit und Gelegenheit also für allerhand ordentliche Majestätsbeleidigungen. Die Queen erträgt solche Attacken in der Regel mit royaler Haltung.
Wollte sie allerdings in Deutschland juristisch gegen Beleidigungen vorgehen, könnte sie Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs wohl nicht mehr bemühen, dessen Wurzeln bis in die Kaiserzeit zurückreichen. Dort wird bislang geregelt, wie bei Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter vorzugehen ist. Der Paragraf soll abgeschafft werden; nun sogar möglichst schnell. Akut geworden ist Sache, weil zwar nicht Elizabeth II., dafür aber Recep der Beleidigte den 103er in Anspruch nehmen will. Der türkische Präsident Erdogan dringt darauf, nachdem der Satiriker Jan Böhmermann in seiner Fernsehshow ein auf ihn gemünztes so genanntes Schmähgedicht vorgetragen hatte.
Inzwischen mehren sich die Stimmen in der deutschen Politik, die den umstrittenen Paragrafen nicht erst, wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt, 2018 streichen wollen, sondern möglichst schnell, damit er schon auf Böhmermann nicht mehr angewendet werden kann. So könnte es passieren, dass der Paragraf 103 sogar noch vor der politischen Sommerpause vom Bundesrat unschädlich gemacht wird. Dann müssten sich Majestäten und Exzellenzen auf Grundlage von Paragraf 185 wehren, der für alle Bürger gleichermaßen gilt. Schon jetzt haben auch Autoritäten wie Kaiser Franz, König Kunde, der Autopapst und Kaiser, Roland keine andere Möglichkeit. wh Seite 5
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