Vucic reitet seinen »Balkantiger«

Serbiens Premierminister trotz eher miserabler Wirtschaftslage vor der klaren Wiederwahl

  • Thomas Roser, Zrenjanin
  • Lesedauer: 3 Min.
In seiner Heimat wird Serbiens Premier Vucic kritisiert, im Westen geschätzt. Trotz der tristen Wirtschaftslage gilt seine Wiederwahl am Sonntag als ausgemacht. Die Opposition ist schwach.

Rhythmisches Klatschen kündigt den Heilsbringer an. Tosender Beifall übertönt die Hymnen, als der Vormann von Serbiens nationalpopulistischer Fortschrittspartei (SNS) auf das Podium schreitet. »Vucic, Vucic« skandiert die Menge im Sportpalast im nordserbischen Zrenjanin, der sechstgrößten Stadt des Landes, Regierungschef Aleksandar Vucic zu. Er wolle bei der Parlamentswahl am kommenden Sonntag einen »klaren Sieg« erreichen, verkündet der hochgewachsene Premier: »Es stehen uns fünf Jahre Wachstum bevor. Wir werden abgehen wie eine Rakete!«

Unablässig legt der Dauerwahlkämpfer Grundsteine für neue Fabriken, eröffnet Autobahnteilabschnitte und neue Schultoiletten. Doch trotz seines Credos von Serbien als »Balkantiger« dümpelt der angeschlagene EU-Anwärter selbst im regionalen Vergleich den Nachbarn deutlich hinterher. »Der Balkantiger am Boden« titelte das Wochenblatt »NIN«, das die Schlüsseldaten von acht Balkanstaaten verglich. Sowohl bei der Wirtschaftskraft, dem Wachstum, der Inflation, der Kaufkraft und den Löhnen rangiert Serbien auf dem letzten Platz.

Trotz der eher miserablen Wirtschaftslage steuern Vucic und seine regierende SNS bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag laut den Umfragen einem klaren Wahlsieg entgegen. Serbiens Umfrageinstitute sagen der SNS einen Stimmanteil von bis zu 50 Prozent voraus. Die Fortschrittspartei dürfte ihre schon bislang komfortable Mehrheit von 158 der 250 Sitze in der Belgrader Skupstina noch etwas ausbauen.

Um den zweiten Platz ringen laut den Demoskopen die mitregierenden Sozialisten (SPS) und die ultranationalistische SRS von Vojislav Seselj mit prognostizierten zehn bis 15 Prozent. Wie das rechtsklerikale Wahlbündnis DSS-Dveri muss auch die proeuropäische Konkurrenz der lange regierenden DS, der von ihr abgesplitterten SDS von Ex-Präsident Boris Tadic, sowie die Liste des früheren Wirtschaftsminister Sasa Radulovic um den Parlamentseinzug bangen.

Doch bei der Frage der Notwendigkeit des Urnengangs scheiden sich angesichts der klaren Mehrheit der SNS im Parlament die Geister. Manche Kritiker werfen Vucic vor, mit den vorgezogen Wahlen nur die überfällige Liquidierung hochdefizitärer Staatsbetriebe verschieben zu wollen - und die Gelegenheit zu nutzen, vor Einschnitten erst einmal seine Amtszeit zu verlängern.

Andere Analysten glauben, dass Vucic seine gute Position nutzen wolle, um sich an den Parteien der proeuropäischen Konkurrenz zu »rächen« - und sie ins außerparlamentarische Abseits zu drücken: Die Rückkehr seines früheren politischen Ziehvaters Vojislav Seselj käme ihm hingegen gelegen, um mit ihm als Schreckfigur die Kritik an seiner autoritären Amtsführung verstummen lassen zu können. »Er könnte dann sagen: Seht her, was ihr sonst noch habt: Ich bin der Einzige, mit dem ihr Dinge regeln könnt«, so der Soziologie Jovo Bakic.

Im Westen wird der Ex-Nationalist als berechenbarer Garant der Stabilität geschätzt. »Vucic liefert«, lautet die oft gehörte Diplomatenbilanz. »Vucic ist schlau - und gehorcht dort, wo er zu gehorchen hat«, meint hingegen Analyst Bakic, der Vucic einen autoritären Regierungsstil bescheinigt. Der EU und Washington sei die Stabilität immer am wichtigsten gewesen: »Ob ein Land autoritär geführt wird oder nicht, interessiert den Westen nicht.«

Die perfekt geölte PR-Maschinerie wird von den fast vollständig auf Regierungslinie gebrachten Medien unterstützt. Die mediale Omnipräsenz des Premiers ist aber nur ein Teil seines Erfolgs. Die zeitweise Verhaftung von Delta-Chef Misko Miskovic, der als reichster Mann des Landes vielen als verhasstes Sinnbild des korrupten Wendegewinnlers galt, ließ 2012 die Popularität von Vucic dauerhaft in die Höhe schnellen. Zwar hat sich am System der mit der Politik eng verwobenen Oligarchen nichts geändert. Doch die zersplitterte Opposition weiß davon kaum zu profitieren.

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