Standortfaktor Toleranz

Michael Müller erklärt bei Firmenbesuch, wie wichtig Weltoffenheit für Berlin ist

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wirtschaft verzeichnet ein Wachstum. Fachkräfte aus der ganzen Welt schätzen die freizügige Metropole. Ein Kippen der Stimmung durch Rechtspopulisten will der Senatschef verhindern.

Der Sehnsuchtsort Berlin wird immer mehr zum Standortfaktor. Die tolerante und freizügige Stimmung in der internationalen Metropole ist für viele Fachkräfte, aber auch immer mehr Unternehmensgründer ein ausschlaggebender Faktor, nach Berlin zu kommen. Rund die Hälfte der zuletzt in der Hauptstadt neu geschaffenen Unternehmen hatte einen nicht-deutschen Gründer.

»Als global forschendes Pharmaunternehmen profitieren wir von der Anziehungskraft Berlins«, sagt auch Dieter Weinand, der seit Anfang des Jahres im Vorstand der Bayer AG sitzt und die in Berlin ansässige Einheit »Pharmaceuticals« leitet. Unter den 5000 Beschäftigten, die bei Bayer in Berlin arbeiten, finden sich 60 Nationalitäten. Der multinationale Konzern sucht seine Fachkräfte von morgen in der ganzen Welt.

Ist der Rechtsruck, der sich derzeit in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland vollzieht, eine Gefahr für die gute Stimmung in der Berliner Wirtschaft? Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der am Montag gemeinsam mit dem Steuerungskreis Industriepolitik in der Bayer-Zentrale zu Gast war, sieht die offene Stadt durchaus als eine wirtschaftspolitische Frage. »Wir sehen negative Auswirkungen in anderen Teilen des Landes, wo es eine andere Stimmung gibt«, erklärte der Regierende Bürgermeister wohl auch mit Blick auf die Wahlergebnisse der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD).

Der Steuerungskreis Industriepolitik, an dem sich Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und auch weitere Senatsverwaltungen beteiligen, hat deshalb auf seiner Sitzung eine »Berliner Erklärung« verabschiedet. In dem Papier heißt es: »Toleranz, Weltoffenheit und Integration sind unabdingbare Voraussetzungen für den weiteren Erfolg des Wirtschaftsstandortes Berlin!« Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Abschottung werden dagegen als Gefahr für den Wirtschaftsstandort benannt. Der Steuerungskreis setzt sich für »offene Grenzen« und »internationalen Austausch« ein. Da die Unternehmen ihren Bedarf an Fachkräften auch in Zukunft nicht nur mit hiesigen Arbeitern abdecken können, fordert der Steuerungskreis eine »qualifizierte Zuwanderung«. Zudem sollen die Integrationsbemühungen für die nach Berlin gekommenen Menschen verstärkt werden. Dazu zählt auch eine Ausweitung entsprechender Bildungs- und Ausbildungsangebote.

Der Bayer-Konzern engagiert sich in der Hauptstadt ganz in diesem Sinne. Ein Projekt für junge Geflüchtete läuft bereits, ein weiteres soll Anfang Mai gestartet werden. Dabei geht es darum, den Neuankömmlingen eine Chance auf eine wissenschaftliche Ausbildung zu ermöglichen. »Wir wollen einen Beitrag leisten«, sagt Vorstand Dieter Weinand.

Welche Möglichkeiten ein Großkonzern wie Bayer eröffnen kann, wird bei der Stippvisite des Regierenden Bürgermeisters in einem Gebäude am Rande des Firmengeländes deutlich. Dort hat Bayer ein Gebäude für junge Firmen hergerichtet. »CoLaborator« heißt das Projekt, bei denen Firmen für drei Jahre Labore, Büros und Equipment zur Verfügung gestellt werden. Bis zu neun Start-ups aus der pharmazeutischen Wirtschaft finden hier auf 800 Quadratmetern Platz. Sie können hier Substanzen untersuchen und toxische Effekte und Nebeneffekte der Medikamente untersuchen. Ganz uneigennützig macht Bayer das natürlich nicht: Das Unternehmen hofft darauf, Innovationen und neue Ideen abzugreifen.

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