Ignorierte Gericht rechten Hintergrund eines Täters?

21-Jähriger musste sich für Schüsse auf Asylunterkunft im hessischen Hofheim vor Gericht verantworten / Möglicher Bezug zur rechtsradikalen Szene bleibt ungeprüft

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
In Hofheim schießt ein 21-Jähriger auf eine Asylunterkunft. Vor Gericht kommt er mit Sozialstunden davon. Fragwürdig bleibt: Mögliche Verstrickungen in die rechte Szene spielen in der Verhandlung keine Rolle.

Die Zahl der Übergriffe auf Geflüchtete und Asylunterkünfte ist in Hessen 2015 sprunghaft angestiegen. Wie das Innenministerium in Wiesbaden diese Woche mitteilte, gab es vergangenes Jahr 67 Straftaten gegen Asylsuchende und damit zehnmal so viele wie 2014. Die Zahlen beruhen im Wesentlichen auf Daten des Bundeskriminalamtes, das Straftaten gegen Geflüchtete seit 2014 gesondert ausweist. Zu den Übergriffen zählen unter anderem fünf Brandstiftungen, drei Körperverletzungen sowie sieben Fälle von Volksverhetzung. »Wer Häuser anzündet und Gasleitungen ansägt, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen sterben«, warnt Hermann Schaus, Parlamentarische Geschäftsführer der Linkfraktion. Durch Drohungen, Sachbeschädigungen und Körperverletzungen werde eine Pogromstimmung erzeugt, die sich gegen die Schwächsten wendet, warnte der LINKEN-Politiker.

Allerdings stufen die Behörden längst nicht alle Straftaten gegen Geflüchtete als politisch rechts motiviert ein. Lediglich 42 von 67 Übergriffen fielen laut hessischen Innenministeriums in diese Kategorie.

Dass dies mitunter auch an mangelnden Aufklärungswillen der Straf- und Ermittlungsbehörden liegen könnte, zeigt ein umstrittener Prozess gegen einen 21-Jährigen, der im April 2015 mit einer Gaspistole insgesamt zehn Schüsse auf eine Asylunterkunft in Hofheim abgab. Bei der Attacke ging eine Scheibe zu Bruch, Menschen wurden damals nicht verletzt.

Für die Tat musste sich Ronny W. nun laut »Frankfurter Rundschau« vor dem Frankfurter Jugendschöffengericht verantworten. Seine Verteidigung setzte dabei auf die Strategie, die Schüsse als jugendliche Dummheit unter Alkoholeinfluss abzutun. Er hätte überhaupt nicht gewusst, wofür das Containerdorf da gewesen sei, erklärte seine Anwältin. Nachdem eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe auch noch eine positive Sozialprognose attestiert, kommt der 21-Jährige trotz diverser Vorstrafen mit einer Verwarnung, 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit und Schadensersatz davon.

Was im Prozess dagegen keine Rolle spielt, sind Aufkleber der rechtsradikalen NPD, die beim Täter laut Aussage der Staatsanwaltschaft vor einigen Wochen gefunden worden sein sollen. Weil der im Gerichtsprozess auftretende Staatsanwalt nur einen Kollegen vertritt, der den eigentlichen Fall bearbeitete, gibt es dazu keinerlei Nachfragen. Dabei spielte der mögliche rechte Hintergrund des Täters sogar in der Polizeimeldung kurz nach der Verhaftung am 28. Mai 2015 eine Rolle. Wie die »Taunus Zeitung« damals schrieb, seien bei der Hausdurchsuchung rechte Flugblätter und Aufkleber gefunden worden. Doch schon im Mai hieß es: Ronny W. sei zwar polizeilich bekannt, allerdings bei der Behörde nicht als Rechter registriert. »Merkwürdig«, kommentiert LINKEN-Politiker Schaus das Urteil. Offenbar habe sich das Gericht nicht für den Neonazihintergrund interessiert.

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