Stühlerücken in Großbritannien

Geringe Verluste für Labour / Schottische Nationalisten büßen Mehrheit ein / Tories verlieren Londons OB-Wahl

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
Jeremy Corbyn war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Der Labour-Chef präsentierte sich nach den Wahlen in Großbritannien entspannt. Die Palastrevolte scheint zunächst abgewendet.

Licht und Schatten erlebten die meisten Parteien bei den schottischen und walisischen Wahlen zu den Regionalparlamenten. Auch bei den englischen Kommunalwahlen ist das Verhältnis ausgeglichen. Die Endergebnisse zum nordirischen Parlament standen am Freitagnachmittag noch aus. Doch der Sieg in London bei der Oberbürgermeisterwahl schien für Labour sicher.

Die Ergebnisse im Kampf um das Edinburgher Parlament waren die eindrücklichsten. Die Nationalisten der Scottish National Party (SNP) um die Erste Ministerin Nicola Sturgeon haben wider Erwarten ihre absolute Mehrheit eingebüßt, die sie laut Umfragen ausbauen wollten. Sie verloren sechs Mandate und brauchen einen Koalitionspartner. Als gestärkte Fraktion dürften die schottischen Grünen dafür in Frage kommen.

Die größere Sensation war das schlechte Abschneiden von Labour - traditionell stärkste schottische Partei. Die Sozialdemokraten kamen hinter den wiedererstarkten Tories um die durchsetzungsfähige Ruth Davidson nur auf Platz drei. Unter Führung der schottischen Labour-Chefin Kezia Dugdale fuhr die Partei im Norden ihr schlechtestes Ergebnis seit den 1930er Jahren ein, mit nur 24 der 129 Sitze (SNP 63, Konservative 31, Grüne 6, Liberaldemokraten 5). Alle Wahlkreise in der früheren Labour-Hochburg Glasgow fielen an die SNP.

Im walisischen Parlament in Cardiff hat Labour zwar seine bisher hauchdünne Mehrheit verloren, aber nur ein Mandat weniger errungen, mit 29 von 60 Sitzen. Schlechtere Ergebnisse gab es für die Tories (11 Sitze), die drei Mandate verloren, hier wurden die Nationalisten von Plaid Cymru mit 12 zweitstärkste Fraktion. In Wales kamen rechte UKIP-Vertreter zum Zuge, darunter der 1997 in einem Korruptionsfall verwickelte Ex-Konservative Abgeordnete Neil Hamilton. Plaid-Chefin Leanne Wood gewann die frühere Labour-Hochburg Rhondda. Eine Labour-Plaid-Koalition scheint damit möglich.

Bei den englischen Kommunalwahlen hatten die Tories leichte Gewinne, Labour geringe Verluste zu verzeichnen - große Überraschungen blieben jedoch aus. Die parlamentarische Nachwahl in einer Labour-Hochburg in Sheffield gewann Labour klar. So konnte der umstrittene linke Parteichef Jeremy Corbyn konstatieren, Labour habe sich trotz aller Unkenrufe behauptet. Selbst Kritiker wie John Mann und die rechte Emma Reynolds gaben zu, dass Corbyn in nächster Zeit nicht mit parteiinternen Herausforderungen zu rechnen habe und die Partei sich auf den EU-Verbleib bei der Volksabstimmung am 23. Juni konzentrieren sollte.

Premier David Cameron hingegen frohlockte über den zweiten Platz in Schottland und verstieg sich zur Behauptung, Labour habe den Kontakt zu fleißigen Bürgern der Mitte verloren, die niedrigere Steuern und den Kauf eines Eigenheims verlangten. Dass der Maklersohn, Zögling des Elite-Internats Eton, je Kontakt zu Bürgern außerhalb seines Standes gehabt hat, ist jedoch nicht verbürgt.

Vorläufige Trends bei der Londoner OB-Wahl sahen Labours Kandidat, den aus der Parteimitte stammenden muslimischen Menschenrechtsanwalt und früheren Minister Sadiq Khan in Führung vor dem Konservativen Zac Goldsmith. Dieser hatte einen fast rein negativen Wahlkampf geführt und wurde sogar aus den eigenen Reihen dafür kritisiert.

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