Die Goldkröte an der Wand

Sechs Jahre kämpfte Christiana Figueres für die UN gegen die Erderwärmung

  • Sandra Kirchner
  • Lesedauer: 4 Min.

Nicht lange wusste die Menschheit um die Existenz der Goldkröte. Erst in den 1960er Jahren in den bergigen Nebelwäldern Costa Ricas entdeckt, gilt die nur wenige Zentimeter große Art spätestens seit Anfang der 90er Jahre als ausgestorben. Ein Verlust für die Biodiversität und für Christiana Figueres. »Als kleines Mädchen sah ich diese Art«, sagte die Generalsekretärin des UN-Klimasekretariates einmal, nachdem sie ein Journalist nach der Motivation für ihr Engagement für den Klimaschutz gefragt hatte. Als die Costa-Ricanerin später selbst zwei kleine Töchter hatte, war die leuchtend orangegelbe Kröte bereits ausgestorben. Damals ahnte sie, dass sie ihren Kindern einen toten Planeten hinterließe, wenn die Ausbeutung fossiler Ressourcen fortschreiten würde. Illustrationen der Kröte hängen noch heute in Figueres’ Bonner Büro.

Als Figueres auf dem Posten als UN-Klimachefin dem Niederländer Ivo de Boer 2010 folgte, war das Sekretariat arg gebeutelt. »Ich übernahm ein Sekretariat, das nach der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen vollständig zermürbt war«, sagte Figueres später rückblickend. Also habe sie erst einmal Zeit und Energie in das Personal gesteckt. Unermüdlich hat sie seither für ein Klimaabkommen gekämpft, mit Vertretern verschiedener Länder gestritten und Stück für Stück die Verhandlungen vorangetrieben.

Ein Einsatz, der sich gelohnt hat. Sechs Jahre nach Figueres’ Amtsantritt hatten sich sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer im Dezember 2016 zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet. Das Abkommen gilt daher als historisch. Nur wenige Monate nach ihrem großen Erfolg von Paris verlässt Figueres kommenden Juli das UN-Klimasekretariat. Doch zunächst wird sie sich ab kommenden Montag zwei Wochen lang um den reibungslosen Ablauf der Klimakonferenz in Bonn kümmern. Dort wollen die Vertreter von rund 190 Staaten die nächste Klimakonferenz in Marokko vorbereiten.

Dann tut Figueres, was sie am besten kann: hinter den Kulissen vermitteln, Brücken bei gegensätzlichen Positionen bauen und innovative Lösungen erarbeiten. Dabei bleibt sie stets diplomatisch und lächelt freundlich. Selbst wenn die Verhandlungen festgefahren scheinen, bleibt Figueres gelassen. Der Grund dafür mag ihr Interesse am Buddhismus sein. Unterricht und Meditationen mit dem Mönch Thich Nhat Hanh hätten ihr in schweren Zeiten geholfen, sagt sie. Auf dem Verhandlungsparkett der Klimadiplomatie ist sie versiert. Als Mitglied der Verhandlungsdelegation Costa Ricas half sie 1995, das Kyoto-Protokoll und nachfolgende Vereinbarungen zu gestalten. 2007 vertrat sie Lateinamerika und die Karibik im Exekutivrat für den Clean Development Mechanismus, mit dem Industriestaaten Projekte zur Treibhausgasreduktion in Entwicklungsländern finanzieren und sich die Verringerung selbst gutschreiben lassen können. 2008 bis 2009 war sie zudem Vizepräsidentin der UNO-Klimakonferenz.

Doch anders als viele Diplomaten verhandelt Figueres nicht nur hinter verschlossenen Türen. Sie sucht auch die Öffentlichkeit. Selbst auf Twitter wirbt sie für den Klimaschutz - um auch junge Menschen zu erreichen. Sie hat eine Website und klinkt sich in öffentliche Diskussionen ein. So hatte sie im vergangenen Jahr Studenten ihrer früheren Hochschule, des Swarthmore College im US-Bundesstaat Penssylvania, bei der Forderung nach dem Abzug der klimaschädlichen Investitionen der Hochschule mit einem offenen Brief unterstützt.

Die derzeitige Chefin des Klimasekretariates hat Diplomatie quasi im Blut. Geboren wurde Christiana Figueres im August 1956 als Tochter des Präsidenten von Costa Rica, José Figueres Ferrer. Ihr Vater war dreimal Präsident des mittelamerikanischen Landes. Als Führer der Revolution hatte Ferrer 1948 die Demokratie in Costa Rica begründet. Auf die sozialen Veränderungen, die diese Revolution brachten, ist Figueres bis heute stolz. Von ihrem Vater habe sie ihre Werte, die Inspiration und Prinzipien fürs Leben gelernt.

Ihre Mutter Karen Olsen Beck, eine dänischstämmige New Yorkerin, war seit 1982 Botschafterin Costa Ricas und Mitglied des Parlaments. Freunde wie Kritiker der Costa-Ricanerin loben ihren Charme, ihre Geduld und Ausdauer. Umweltorganisationen schätzen sie.

Figueres besuchte die deutsche Schule in Costa Ricas Hauptstadt San José, bevor sie Anthropologie und Ethnologie studierte. Deshalb spricht sie neben Spanisch und Englisch auch gutes Deutsch. Verheiratet ist sie seit Anfang der 1980er Jahre mit dem Weltbankmanager Konrad von Ritter.

In Bonn lebte Figueres schon, bevor sie den Posten als UN-Klimachefin annahm. Zwischen 1982 und 1985 arbeitete Christiana Figueres in der Botschaft von Costa Rica in Bonn. Sie liebt die Stadt, denn hier findet die begeisterte Fahrradfahrerin und Joggerin ideale Voraussetzungen. Später arbeitete sie in verschiedenen Planungsstäben für die Regierung Costa Ricas. Nachdem sie mit ihrem Mann in die USA gegangen war, gründete sie das Zentrum für Nachhaltige Entwicklung in Amerika und beriet etliche Länder in Süd- und Mittelamerika bei der Umsetzung von Klimaschutzprogrammen.

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