Post aus der Peniskanone

Damit Harald Martenstein sich noch mal hinlegen kann, hat Thomas Blum für ihn seine neue Kolumne bei der »Bild« vorformuliert

Eine Stinkmorchel im Teutoburger Wald. (War als Kolumnen-Name in der engeren Auswahl)
Eine Stinkmorchel im Teutoburger Wald. (War als Kolumnen-Name in der engeren Auswahl)

Liebe »Bild«-Leser,

wir leben in schlimmen Zeiten: Männer trinken Eierlikör, Frauen tragen Hosen, Schwule dürfen wählen. Kurz: Alles ist verkehrt. Deutschland ist zum Gaga-Land geworden. Aber so ist es nun mal, unser verrücktes Deutschland: Immer will es was Neues ausprobieren.

Deshalb tue auch ich das jetzt: etwas Neues ausprobieren. Denn auch ich bin Deutscher. Neues Jahr, neuer Job, neue mehrstellige Zahlen auf meinem Konto. Als ich noch jung und unter 70 war, schrieb ich viele Kolumnen für radikal linke Blätter wie den »Tagesspiegel« oder »Die Zeit«. Mit meinen Glossen leistete ich Widerstand gegen Angela Merkels woke, queere Linksdiktatur. Dann wechselte ich zur »Welt«, wie viele andere Ex-Kommunisten vor mir auch, die sich heute mehr für ihr Bankkonto interessieren als für die klassenlose Gesellschaft. Heute, in meinen Kolumnen in der »Welt«, engagiere ich mich für eine lebendige Demokratie. Jedes Kind weiß heute: ohne Nazis keine Demokratie. Oder ich mache auf jene vergessenen Opfer aufmerksam, die unter dem jetzigen Gesellschaftssystem am meisten zu leiden haben: zum Beispiel der Bundesverband der Deutschen Industrie. Die Kolumnen riechen stets ein wenig nach dunkelbrauner Cordhose, Kohlroulade und Sechsämtertropfen. Doch genau das mochte ich immer an ihnen: das Vorgestrige, Abgedroschene und – in genau der richtigen Dosierung – nach Stammtisch Müffelnde. An Stammtischen gibt es nämlich nichts auszusetzen. Stammtische stehen für Kameradschaft, Gemütlichkeit, Volksgemeinschaftlichkeit. Stets hatten meine Glossen einen unoriginellen Dreh ins Reaktionäre, worauf ich besonders stolz bin.

Die Kolumnen riechen stets ein wenig nach dunkelbrauner Cordhose, Kohlroulade und Sechsämtertropfen. Doch genau das mochte ich immer an ihnen: das Vorgestrige, Abgedroschene und – in genau der richtigen Dosierung – nach Stammtisch Müffelnde.

Meine Leser lieben das: Wenn einer endlich mal sagt, was man – außer in »Bild«, »Welt«, »Spiegel«, »FAZ«, im Fernsehen, in der Fußgängerzone und im Internet – nicht mehr sagen darf. Wenn einer mal sagt, was Sache ist. Einer, der das im Gegensatz zu ihnen in ganzen Sätzen und halbwegs lesbar formulieren kann. Zum Beispiel diese ganzen Sachen: die Ausländersache, das Frauending, der allgegenwärtige linksradikale Irrsinn. Das steht alles in meinen Kolumnen. Permanent sozusagen.

Nun werden Sie, liebe Leser (auch hier ausdrücklich kein Binnen-I und kein Sternchen, damit das mal klar ist, haha!), sagen: Da gibt’s doch außer dem mutigen Martenstein, diesem famosen Teufelskerl, auch noch andere Genies, die solche pfiffigen Sachen schreiben können. Solchen rasiermesserscharfen Klartext, bei dem den Wählern der Blauen ganz warm wird im Schritt. Und Sie haben ja wie immer recht, liebe Leser. Da gibt’s zum Beispiel den verkniffenen Brillenmann von dem halbrechtsextremen Nachrichtenmagazin, der neuerdings auch im Fernsehen ist, oder den Profilierungssüchtigen vom Tegernsee. Meine Kollegen. Einer für alle, alle für einen. Sogar so eine Frau bei der »Welt« gibt es noch. Und mich natürlich. Gemeinsam führen wir unseren einsamen Kampf gegen geschlechtergerechte Toiletten. Aber das habe ich ja vermutlich schon erwähnt. Eigentlich sollte ich im Fernsehen sein – statt meines Kollegen, dem Brillenmann, meine ich. Aber das nur am Rande.

Zugegeben: Auch die eben Genannten können was. Beherrschen die große Kunst, mit immer anderen Wörtern allwöchentlich denselben Text zu schreiben, in dem freundlich, aber bestimmt vom Leder gezogen wird gegen Klimaspinner, Emanzenflittchen und Gemischtrassige.

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Doch aufgepasst! Das Schreiben ist nicht jedermanns Sache (jederfraus schon gar nicht, haha). Dabei ist es ganz einfach. Man muss nur das, was einem im halbwachen Zustand gerade durch die Birne rumpelt, mit leichter Hand in die Tastatur bimsen und darf nicht denken dabei. Wichtig: Hie und da den einen oder anderen gut abgehangenen Altherrenwitz einstreuen. Mit dieser Kolumnen-Schreibmethode habe ich bisher großartige Ergebnisse erzielt.

Doch kommen wir zurück zum Thema: Neues ausprobieren. Darum bin ich jetzt hier, bei »Bild«, dem dicken, glänzenden publizistischen Tanker unter den vielen kleinen, rostigen Kuttern. Dem überparteilichen, unabhängigen Leitmedium Deutschlands. Der Stimme der Wahrheit im Tal der Lügen. Der Peniskanone des Print-Geschäfts. Seriös, unbestechlich, niveauvoll. Das ist allgemein bekannt. Vor allem die Berichterstattung von »Bild« über Frauen hat mir schon immer gut gefallen. Auch die Bilder früher. Und die originelle Sprache: Brüste von Frauen heißen in »Bild« »Hupen« oder »Schaumglocken«. Hier herrscht eben noch jene Kreativität, Freiheit und Unbefangenheit im Umgang mit unserer schönen deutschen Sprache, die ich in anderen Medien vermisse. Auch wenn ich wohl künftig kürzere Sätze schreiben muss. Und lange oder komplizierte Wörter mit Bindestrich versehen muss. Damit Sie, liebe Leser, mir folgen können. Kohl-Roulade. Schaum-Glocken. Penis-Kanone.

Herzlichst, Ihr Harald

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