DDR für immer?

Erinnerung an Esche

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Sonntag jährt sich zum zehnten Mal der Todestag des unvergesslichen Eberhard Esche. Dieser »Kaschperkopp, gemacht wie vom Holzschnitzer«, so sagte sein ebenso unvergesslicher Schauspielerfreund Dieter Franke.

»Die Entwicklung der deutschen Schauspielkunst ist mit der Liquidation der DDR ausgelöscht worden.« Geht’s provokanter, also falscher? So jedenfalls beendete Esche sein biografisches Buch »Der Hase im Rausch«. Und zog sich in den Achtzigern am Deutschen Theater vom Deutschen Theater zurück, er reiste zum Schluss nur noch lesend durch östliche Lande, trug auf »Bühnen der DDR«, wie er sie noch immer nannte, seine Geschichten vor, brachte Säle schier zum Bersten. Geliebt wegen einer Bissigkeit, die andere befremdete. Im Stilisierungsehrgeiz seiner politischen Ansichten war er ganz nah am Freund Peter Hacks. War als »Kaschperkopp« ganz nahe einem Starrkopp. Ein Dandy der stolzen, eineindeutigen Denkungsart. Der Gedenkensart.

Wessen gedachte er? Der alten Meister. Der guten jungen Zeiten. Der fröhlichen Urstände. Der Gleichgesinnten von Theaterwelt-Verbesserung und Theater-Weltverbesserung. Esches Arbeit, die eine sehr komödiantische war, hatte etwas von der Endstufe der großen Inspiration, die der Marxismus auch in Gauklern weckte. Mit allem Koppschütteln, die sowas auslöste. Die besagten Meister: Wolfgang Langhoff, Wolfgang Heinz, Benno Besson. Esche sah in den meisten anderen Inszenatoren nur Leute, die Schauspieler mit Regieeinfällen behelligten. Er ließ sich nicht behelligen. Spiel war ihm: Hineinhorchen ins Gedichtete, eine Art Gehorchen, welches das Verlangen nach dem Geheimnis von Texten ebenso erhöhte wie die Unsicherheit, es je streifen zu können. Das zelebrierte er könnerisch! Zuletzt in großartigen Solo-Abenden - »Deutschland, ein Wintermärchen« (seit 1974!!!), »Reineke Fuchs«, »Der Zauberlehrling«.

Geboren wurde er 1933 in Leipzig. Wenn er »Heldenstadt« hörte, lachte er unverschämt hämisch: »Ich kenne mich.« Seit 1961 war er am DT, blieb bis 1999. Unvergesslich, natürlich, sein Lancelot, in Bessons »Der Drache« von Jewgeni Schwarz, fast sechshundert Vorstellungen. Ein Held lernt denken. Das macht müde, und nur in der Müdigkeit, dann also, wenn sie sich aufs Schwert stützen müssen, sind Helden am wahrhaftigsten. Diese gewisse Müdigkeit, in der aber Schnellkraft lauerte, hat sich eingegraben in die Spur, die Esche zog. Man hat sie auf der Bühne immer wiedererkannt, im Amphitryon, im Seneca, im Wallenstein, auch im Fernsehen (»Fleur Lafontaine«, »Levins Mühle«) und im DEFA-Film (»Der geteilte Himmel«, »Spur der Steine«, »Wie heiratet man einen König«).

Das Auffällige seiner Kunst erwuchs aus grinsender Aufgekratztheit und einem oft täppisch-scheu getarnten Selbstbewusstsein. Allein mit der Verschiebung einer Tonlage produzierte er feinste Bösartigkeiten, die zu scharfer Belichtung der Welt führten. Manchmal reichte dafür eine Pause zwischen zwei Silben. Diese gepflegte Manieriertheit. Dieses federnde Witzeln, bei dem Sätze nicht beendet, sondern auf überraschenden Frequenzen ausgesungen wurden. Beschenkt war, wer’s erlebte!

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