Gabriel will »Herrschaft des Neoliberalismus« beenden

SPD debattiert über Kurs: Parteichef: Müssen wieder »Schutzmacht der normalen Arbeitnehmer« sein / Ex-Vorsitzender Vogel: Gerechtigkeit wieder mehr in den Fokus nehmen / Eppler: Für Gegenkonzept zur marktradikalen Gesellschaft

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Aus der SPD kommen weitere Rufe, die Partei wieder stärker auf ihre sozialdemokratischen Wurzeln zurückzubesinnen. Im Magazin »Focus« sagte der langjährige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel, »die SPD muss ihr Kernthema, nämlich die Verringerung der sich ausweitenden sozialen Kluft zwischen Arm und Reich, und damit den Grundwert der Gerechtigkeit in den Fokus ihrer Politik rücken und dabei auch den Unterschied gegenüber der Union deutlicher werden lassen«. Der langjährige Vordenker Erhard Eppler sagte, »die SPD, oder besser die europäischen Sozialdemokraten, müssen für ein schlüssiges Gegenkonzept zur marktradikalen Gesellschaft eintreten«.

Beide erklärten zudem Unterstützung für den amtierenden Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Über dessen Zukunft hatte es zuletzt mit Blick auf die schwachen Umfragewerte der SPD wiederholt Spekulationen gegeben. Zugleich bemühen sich führende Sozialdemokraten derzeit um eine zumindest verbale Kurskorrektur nach links. Auf einer Gerechtigkeitskonferenz zu Beginn der Woche war auch deutlicher als zuvor Selbstkritik an der Politik vergangener Jahre zu vernehmen. Die Töne hatte der frühere SPD-Vorsitzende und nunmehrige Linkenpolitiker Oskar Lafontaine so kommentiert: »Aber was für Schlüsse zieht Gabriel und mit ihm die SPD daraus? Was will Gabriel ändern? Und wie will er eine gerechtere Politik umsetzen? Antworten darauf bleibt die SPD schuldig.«

Im »Spiegel« sagte Gabriel jetzt, »bei einem Teil unserer Kernwählerschaft wirkt noch immer die Agenda 2010 von Gerhard Schröder nach. Wir müssen akzeptieren, dass gerade unsere treuesten Anhänger diese Reformen als Anpassung der Sozialdemokratie an den scheinbar alternativlosen globalen Finanzkapitalismus sehen.« Gabriel ging in dem Gespräch noch weiter: »Die SPD muss deutlich machen, dass jetzt ein für alle Mal Schluss ist mit der Herrschaft des Neoliberalismus«, sagte der Parteichef. Die Sozialdemokratie müsse »zeigen, dass sie ohne Wenn und Aber Schutzmacht der normalen Arbeitnehmer ist. Dann gewinnen wir auch wieder Wahlen.«

Mit Blick auf Steuertricks der Reichen oder Millionen-Boni für Manager sagte Gabriel, »die Wut der Menschen über solche Praktiken ist riesengroß, und die SPD muss bereit sein, dieser Wut eine Stimme zu geben«. Dies dürfe man nicht der AfD überlassen, der Gabriel »eine national-chauvinistische Perversion des Solidaritätsgedankens« vorwarf, »nämlich: Solidarität nur unter Deutschen und Ausschluss aller anderen«. Soziale Probleme hierzulande und »die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft« seien »nicht durch Flüchtlinge« gekommen. Es gehe »weltweit um Reich gegen Arm. Ungleichheit, mangelnde Bildungschancen, schlechte Bezahlung, insbesondere von Frauen, haben ihre Ursache doch nicht in der Flüchtlingsbewegung. Sondern sie sind die Folge eines globalisierten Finanzkapitalismus. Die Steuerflüchtlinge sind die wahren Wirtschaftsflüchtlinge«.

Zuvor hatte schon der frühere SPD-Chef Björn Engholm seine Partei in der »Welt« aufgefordert, sich »wieder als Anwalt der einfachen Leute« zu verstehen. Die Vertretung »für die Menschen mit Sorgen und Nöten und anderer Herkunft dürfen wir nicht der AfD überlassen«, sagte er - und drängte zugleich, sich nicht auf die viel beschworene politische Mitte zu konzentrieren. »Ich habe nichts gegen die Mitte, ich bin selbst in der Mitte«, sagte Engholm. »Aber politisch gesehen wird es sehr eng, wenn alle in die Mitte drängen. Also muss sich die SPD stärker als bisher links von der Mitte ansiedeln.« Die Sozialdemokratie müsse links »ein Bollwerk aufbauen, sodass die Menschen im Zweifel wissen, woran sie bei der SPD sind«. mit Agenturen

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