Wahl mit Hindernissen

Software startet vierten Testlauf / Wahlhelfer fehlen / Bürgerämter sparen an Passausgabe

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Software »Wahlmanagement« simuliert ab morgen wieder eine Wahl auf Probe - Stadträte der Grünen und LINKEN kritisieren die späte Testphase und die langen Reaktionszeiten des Programms.

Knapp vier Monate vor der Wahl hat Berlins Wahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach noch mit vielen Problemen zu kämpfen. Die Wahlsoftware »Wahlmanagement« produziert Fehler, vielerorts melden sich zu wenig Wahlhelfer, Zugezogene können ihren Wohnsitz nur pünktlich anmelden, indem andere Aufgaben der Bürgerämter hinten angestellt werden.

Am Donnerstag wird das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten einen weiteren Test der Wahlsoftware starten. Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin, zählt die Probleme der vergangenen Tests auf: Das Programm druckte den Wahlschein auf zwei Seiten statt auf einer, die Software konnte weder die Wahllokale übernehmen noch mit den Wahlberechtigten aus den Melderegistern zusammenführen. Das Hauptproblem: Berlin hat nicht ein Wählerverzeichnis, sondern zwölf Bezirkswahlämter, die ihre Datensätze nur selbst einsehen und bearbeiten können.

Stephan von Dassel (Grüne) ist Stadtrat für Bürgerdienste in Mitte und findet es »verwunderlich, dass man sich nun mit dem Hersteller ärgert«. Denn andere Städte haben ganz andere Voraussetzungen: »Ist die Software nun unzureichend oder wurden die Hersteller nicht über die Bedingungen informiert?« Sein Kollege in Friedrichshain-Kreuzberg, Knut Mildner-Spindler (LINKE), sagt: »Vielleicht ist unterschätzt worden, dass Berlin ein großes Netzwerk hat, und dass man die Software da nicht einfach potenzieren kann.« Selbst Baasen muss einräumen, »in Hamburg haben sie eine andere Software«. Auch reagiere die Software zu langsam, beklagen beide Stadträte. »Wenn wir die Adresse eines Wahlhelfers brauchen, heißt es: ›Ganz schwierig‹«. Mildner-Spindler sagt: »Es geht nicht, dass ein Rechner 15 Sekunden für den Zugriff auf eine Adresse braucht.«

Sollte es wieder Mängel geben, wird eine fünfte Probewahl kommen, sagt die Landeswahlleiterin. Dass der Ablauf bis zur Wahl perfekt funktionieren wird, glaubt nicht einmal Baasen. Doch dass die Wahl deshalb gefährdet ist, glaubt auch niemand. »Dann müssen die Mitarbeiter Nachtschichten einlegen«, sagt von Dassel. Das würde die Fehlerquote erhöhen: »Schreiben Sie mal von Hand die Ergebnisse aus einem Computer ab.« Seiner Meinung nach hätte die Software viel früher getestet werden müssen. »Jetzt gibt es kein Ausstiegsszenario mehr. Da hat sich der Senat in eine unglaubliche Zwickmühle begeben.«

Ein weiteres Problem ist, dass Zugezogene ihren Wohnsitz nur sehr verzögert anmelden können. Zwar hatte die Senatsverwaltung für Inneres in Absprache mit den Bezirksämtern eine Hotline eingerichtet, bei der Neu-Berliner einen schnelleren Termin bekommen sollten. Innen-Staatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) sagte unlängst, die Bürgerämter bearbeiten am Tag bis zu 1200 solcher Termine. Doch auch in diesem »Schnellverfahren« dauert es bis zum Termin noch drei Wochen. Anders als von Senat und Verwaltung behauptet, geschieht dies bisher ohne zusätzliches Personal. Denn die vom Land bewilligten neuen Mitarbeiter müssen zunächst eingearbeitet werden. »Ab September wird sich die personelle Situation entspannen«, sagt von Dassel. Die Bürgerämter ziehen ihre Mitarbeiter derweil zum Beispiel von der Bearbeitung der Reisepässe ab. Besonders für die Ferienzeit ist der nächste Frust programmiert: »Ein Loch wird hier gestopft, ein anderes aufgerissen«, sagt Mildner-Spindler.

Die fehlenden ehrenamtlichen Wahlhelfer sind ein weiteres Problem. Während es im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg laut Stadtrat keine Probleme gibt, sucht Pankow noch 1200 Helfer. Auch in Mitte fehlen noch ein Drittel der Freiwilligen. 2013 hatte der Senat das sogenannte Erfrischungsgeld von 31 auf 50 Euro hochgesetzt, um die ehrenamtliche Arbeit am Wahltag attraktiver zu machen. »Die Resonanz war noch nie so schwierig wie im Moment«, sagt von Dassel. Gegebenenfalls müsse er Bürger zwangsweise verpflichten.

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