Museum gibt Skelette zurück

Maori-Gebeine kamen aus Neuseeland an die Weser

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.

Menschliche Schädel und Skelette werden nach über 100 Jahren vom Bremer Übersee-Museum an die Völker der Maori und der Moriori zurückgegeben. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen hat beschlossen, einem Rückgabe-Ersuchen Neuseelands nachzukommen, und die Gebeine dem Te Papa Museum in Neuseelands Hauptstadt Wellington zu übergeben. Dass menschliche Überreste, international Human Remains genannt, als Beute, als Sammelgut oder als käuflich erworbene Ware in Museen, Sammlungen und Forschungseinrichtungen landen, war seit Jahrhunderten üblich. Die Gebeine im Bremer Übersee-Museum stammen zum größten Teil von Hugo Schauinsland, der Ende des 19. Jahrhunderts Forschungsreisen nach Neuseeland unternahm. Er gründete das heute Übersee-Museum genannte Haus vor 120 Jahren.

Während damals noch Goldgräberstimmung herrschte, was das Beschaffen von wissenschaftlich interessantem und publikumswirksamem »Material« betraf, wird mittlerweile international über den Umgang mit menschlichen Gebeinen diskutiert. Es geht um Würde, um ethische und moralische Fragen, besonders aber um juristische. Die UNESCO hat dem Themenkreis der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut eine Konvention gewidmet. Mit UNIDROIT hat eine weitere internationale Vereinigung Beschlüsse zu gestohlenen oder illegal exportierten kulturellen Objekten gefasst. Die Abkürzung steht für eine Vereinigung, deren Ziel es ist, die weltweite Vereinheitlichung des Zivilrechts zu fördern.

Auch der Internationale Museumsrat ist mit der Materie befasst. Zudem gibt es noch nationale Gremien und Gesetzgebungen zu Fragen des Umgangs mit Human Remains. Die werden, obwohl es sich um Teile von Menschen handelt, juristisch wie Sachen behandelt. Dinge, die zum Besitz oder Eigentum von Menschen und Museen werden können.

Geht es um Herkunft oder Rückgabe, werden verschiedene Aspekte geprüft: Wessen Eigentum ist das entsprechende Stück und in wessen Besitz befindet es sich? Kann der Eigentümer einen lückenlosen legalen Herkunftsnachweis liefern? Wird nach den Gesetzen des fordernden Landes - in diesem Falle Neuseeland - entschieden? Oder nach denen des angesprochenen Landes? Können Bestandteile von Menschen, die seit Jahrhunderten tot sind, verschiedenen Institutionen zugesprochen werden aufgrund von Verjährungsfristen?

Wiebke Ahrndt ist Leiterin des Bremer Übersee-Museums und Initiatorin der Arbeitsgruppe Human Remains beim Deutschen Museumsbund. Sie betont, wie wichtig die Provenienzforschung ist, die Suche nach der Herkunft jedes einzelnen Stückes. Nur dann könne geklärt werden, welchen kulturellen Umgang mit den Toten die ursprünglichen Besitzer der Überreste pflegen. Es müsse jedes Stück gründlich geprüft werden, jeder Fall liege anders, jede Volksgruppe habe ihre Eigenheiten.

Insgesamt sind die Human Remains eine riesige internationale Aufgabe, deren Lösung in kleinen Schritten erfolgt. Im Fall der Wellingtoner Anfrage wird in Übereinstimmung mit Museumsrat, Kulturressort und Bremens Senat nicht akribisch nach Gesetzeslage gehandelt, sondern mit Augenmaß. An das Maori-Museum werden nicht alle in Bremen gelagerten Überreste übergeben, bei einigen ist die Herkunft noch ungeklärt. Aber es werden auch Gebeine nach Neuseeland gebracht, für deren Rückgabe es keine klare gesetzlichen Bestimmungen gibt.

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