NRW will AKW-Vorfälle neu prüfen

Nach 30 Jahren wird der Störfall in Hamm-Uentrop neuaufgerollt

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung prüft neue Vorwürfe im Zusammenhang mit einem AKW-Störfall im südwestfälischen Hamm: Wurde 1986 im Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) Hamm-Uentrop bewusst und nicht versehentlich Radioaktivität in die Umgebung abgegeben? »Diese neuen Vorwürfe waren der atomrechtlichen Aufsicht bisher nicht bekannt. Sie wird ihnen nachgehen und sie sorgfältig prüfen«, versprach eine Sprecherin des zuständigen NRW-Wirtschaftsministeriums auf Nachfrage des »neuen deutschland«. Anti-Atom-Initiativen demonstrieren derweil gegen Atomtransporte und belgische »Bröckelreaktoren«.

Am Freitag waren die Vorwürfe eines ehemaligen Betriebsingenieurs des im Jahre 1989 still gelegten südwestfälischen Atomkraftwerks bekannt geworden. Demgemäß wurde radioaktives Gas und radioaktiver Staub bewusst in die Umgebungsluft abgelassen. Dies sei in der Hoffnung geschehen, es werde der Öffentlichkeit nicht auffallen und zudem sei es unnötig gewesen, erläuterte der ehemalige Mitarbeiter. Denn spezielle Filter, mit deren Hilfe das konkrete Problem auch anders hätte gelöst werden können, seien bereits bestellt gewesen. Der Vorfall spielte sich kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl im Frühjahr 1986 ab, die damals zu erhöhten Radioaktivitätswerten auch in der Region Hamm führte.

Die atomrechtliche Aufsicht habe den Austritt von Radioaktivität aus dem THTR »damals intensiv aufgearbeitet«, betonte die Ministeriums-Sprecherin und verwies auf einen Bericht aus dem August 1986. Die radioaktive Immissionsbelastung war laut diesem Bericht des damaligen Wirtschaftsministeriums so gering, dass sie »messtechnisch ... nicht nachweisbar« war. Der Bericht konstatierte eine »Fehlentscheidung bei der Bedienung der Beschickungsanlage« seitens des Betriebspersonals. »Hinweise, dass ein absichtliches Handeln vorgelegen hat, wie es in den neuen Vorwürfen behauptet wird, finden sich dort nicht«, erklärte die Ministeriumssprecherin.

Die THTR-Technik galt einst als besonders innovativ und sicher, das Kraftwerk in Hamm-Uentrop als Prototyp. Im Hammer THTR wurden Kugeln statt Brennstäbe eingesetzt und diese bestanden überwiegend aus Thorium und nur zu geringeren Teilen aus dem - für die Stromerzeugung allerdings auch hier bedeutsameren - Uran-235. Im Mai 1986 hatten Kugelpartikel das Rohrsystem verstopft.

Derweil demonstrierten am Wochenende im ostwestfälischen Ahaus und in der nahe der deutschen Grenze gelegenen holländischen Stadt Limburg Kritiker gegen Atomkraft und Atomtransporte. Der Protest richtete sich insbesondere gegen den drohenden Transport von 152 Castor-Behältern mit radioaktivem Material aus einem im Jahr 1988 stillgelegten Forschungsreaktor in Jülich bei Aachen in das Brennelemente-Zwischenlager Ahaus, aber auch gegen die grenznah gelegenen belgischen AKW Tihange 2 und Doel 3, die jüngst in die Schlagzeilen geraten waren.

Wegen deren Wiederinbetriebnahme fanden unlängst Katastrophen-Übungen im nahe gelegenen Aachen statt. Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel bezeichnete die beiden AKW aus dem Nachbarland wegen tausender Risse im Schutzmantel als »Bröckelreaktoren«. Zu den jüngsten Vorwürfen im Zusammenhang mit dem heimischen THTR schweigt der Grünen-Politiker sich indes bisher aus.

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