Theologe, Sozialaktivist, Direktkandidat

Steve Rauhut will als Parteiloser in Moabit für die Linkspartei ein Mandat erringen

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Er arbeitete für die Lufthansa, studierte später Theologie und ist nun dabei, aus einer verfallenen Kirche ein Zentrum auch für Flüchtlinge zu machen. Nun will er in die offizielle Politik.

Zumindest optisch ist Steve Rauhut in Moabit und den angrenzenden Teilen des Weddings bereits eine feste Größe. Denn sein zum Wahlkampfmobil umgerüsteter Unimog ist ein echter Blickfang. Der 44-jährige Rauhut bewirbt sich im Wahlkreis 4 des Bezirks Mitte als parteiloser Kandidat für die LINKE um das Direktmandat bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und rechnet sich auch gute Chancen aus.

Sein Weg zu dieser Art von Engagement war alles andere als vorgezeichnet. Aufgewachsen in einem »stramm konservativen« Elternhaus studierte er nach dem Abitur in Hamburg Flugzeugbau und begann 1995, noch während des Studiums, eine vielversprechende Karriere bei der Lufthansa. Dort war er unter anderem für die Umrüstung von VIP- und Regierungsflugzeugen zuständig, später für das Finanzcontrolling bei der Wartung. Doch einen wirklichen Lebenssinn fand er dabei nicht, und so entschloss sich der gläubige Christ 2004 zum Studium der evangelischen Theologie, das er mit zwei Masterexamen abschloss.

2009 verschlug es Rauhut nach Berlin. »Ich wollte aber nicht den üblichen Weg gehen, und ein Pfarramt übernehmen, sondern mit einigen Gleichgesinnten richtig was rocken«, beschreibt Rauhut seine Zielvorstellung. Man fand eine alte, ungenutzte Backsteinkirche nebst verfallenen Gebäuden mitten im Moabiter Kiez an der Beusselstraße und machte sich ans Werk. Nach zähen Verhandlungen mit der evangelischen Landeskirche wurde schließlich das Projekt »REFO-Campus« aus der Taufe gehoben. Dazu gehören neben der Wiederbelebung der eigentlichen Kirche auch der Aufbau eines Konvents zum gemeinsamen Leben und Arbeiten, der Bau einer interreligiösen Kita mit 120 Plätzen sowie zahlreiche Kultur- und Sozialprojekte.

In einigen Monaten werden die Sanierungsarbeiten abgeschlossen sein, aber schon jetzt herrscht reger Betrieb auf dem Campus, wo unter anderem eine Jugendtheatergruppe probt. Rauhut arbeitet als Geschäftsführer eines der beiden Trägervereine und ist vor allem für die Immobilie zuständig. »Endlich habe ich das Gefühl, mit meinen Erfahrungen als Finanzcontroller etwas Sinnvolles anfangen zu können«, sagt er über seine Tätigkeit.

Doch dort soll keine evangelische Insel der Seligen entstehen, sondern eine Gemeinschaft, die in den Kiez hineinwirkt. Und der hat es in sich: hoher Verdrängungsdruck durch steigende Mieten und ein überdurchschnittlich hoher Anteil von armen Familien mit und ohne Migrationshintergrund. Nur ein paar Straßen weiter befindet sich das berüchtigte Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo), das durch katastrophale Zustände bei der Erstregistrierung von Flüchtlingen bundesweit monatelang für Schlagzeilen sorgte.

Rauhut und seine Mitstreiter engagieren sich seit Jahren in Initiativen vor Ort, auch in Kiezgremien wie dem Quartiersrat. Für ihn war es daher ein logischer Schritt, auch auf der »offiziellen« politischen Ebene tätig zu werden, denn: »In dieser Stadt muss sich grundsätzlich was ändern, um den sozialen Zusammenhalt zu erhalten«. Und als ihn der Bezirksverband der LINKEN fragte, ob er in dem Kiez kandidieren wolle, sagte er zu.

Dass die mögliche Mitgliedschaft in einer Regierungsfraktion nach der Wahl auch Probleme mit sich bringen wird, ist Rauhut klar. Jede Koalition basiere eben auf oft auch schmerzlichen Kompromissen. Aber er stellt auch unmissverständlich klar, dass es für ihn »rote Linien« gibt. Falls beispielsweise erneut der Verkauf kommunaler Wohnungen auf der Tagesordnung stünde, »dann wäre für mich Schluss«. Glücklicherweise sei er weder materiell noch anderweitig vom Politikbetrieb abhängig.

Es wird ein spannendes Jahr für den Theologen. Derzeit ist er zusammen mit seinen ehrenamtlichen Helfern voll im Wahlkampfmodus. Ende des Jahres soll das Wohnhaus des Konvents von insgesamt 40 Menschen - darunter auch Flüchtlingen - bezogen werden. Im Januar steht dann die Eröffnung der Kita an. Und falls er das Direktmandat diesmal nicht gewinnen sollte, kann sich Rauhut auch vorstellen, es in vier Jahren erneut zu probieren.

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