Weißes Ballett, schwarze Serie

Warum Real Madrid als Favorit ins Finale der Champions League gegen den Stadtrivalen Atlético geht

Die Entwicklung von Atlético Madrid ist erstaunlich. Wie schon 2014 steht der Klub wieder im Finale der Champions League. Blöd nur, dass der Gegner wieder Real Madrid ist.

Von Alexander Ludewig

Enrique Cerezo war sich am 24. Mai 2014 sehr sicher. »Wir werden wiederkommen«, kündigte der Präsident von Atlético Madrid im Estádio da Luz fast trotzig an. Er meinte nicht das Stadion, auch nicht die Stadt Lissabon. Cerezo sprach vom Finale der Champions League, dass sein Klub gerade mit 1:4 in der Verlängerung gegen den Stadtrivalen Real unglücklich verloren hatte.

Zwei Jahre später ist Enrique Cerezo wieder da, diesmal in Mailand. Gegner am Sonnabend im Giuseppe-Meazza-Stadion ist erneut Real Madrid. Sätze wie den von Cerezo im Mai 2014 wird man von den Königlichen nie hören. Ganz selbstverständlich ist der Anspruch des Klubs aus dem Madrider Stadtteil Chamartín, jedes Jahr um die Krone des europäischen Klubfußballs mitzuspielen. Der Sieg in Lissabon gegen Atlético war der zehnte Triumph in der Königsklasse, besser ist kein anderer Verein. Von Real hört man vor dem Finale dann auch Sätze wie diesen von Cristiano Ronaldo: »Ein Scheitern kommt mir gar nicht in den Sinn. Wir werden gewinnen.«

Selbstbewusst ist das immer noch oft als Arbeiterverein beschriebene Atlético natürlich auch. Aber wie sich der Stadtteil Imperial verändert hat, wo das Leben gar nicht mehr billig ist, so hat sich auch sein Klub verändert. Seit 2010 gewann Atlético sieben Titel, genau so viele wie Real. Der größte Erfolg in dieser Zeit war die Meisterschaft 2014 - vor dem FC Barcelona und Real und 20 Punkte besser als der damalige Vierte aus Valencia. Spätestens seitdem ist das Titelrennen in der Primera División nicht mehr nur ein Zweikampf zwischen Barça und Real Madrid. In dieser Saison wurde Atlético Dritter - drei Punkte hinter Barcelona, zwei hinter dem großen Rivalen aus der eigenen Stadt; und 24 Punkte besser als Villarreal auf Rang vier.

Erfolg ist teuer, auch im Westen von Madrid. Karten für spanische Erstligastadien kosten durchschnittlich 40 Euro und damit fast doppelt so viel wie in der Bundesliga. Und Fans von Atlético müssen sehr viel mehr bezahlen als Anhänger von Levante, Eibar, Granada, Gijon oder Getafe. In der Champions League sind Preise von 90 Euro normal. Auch der Klub selbst ist in neue finanzielle Dimensionen vorgestoßen. Allein in den vergangenen beiden Jahren investierte Atlético mehr als 250 Millionen Euro in neue Spieler.

An die Wurzeln des Vereins erinnert noch der Stil der Mannschaft: Atlético arbeitet Fußball. Kampf und Defensive sind unter Trainer Diego Simeone angesagt. Die Fans lieben es, die Gegner hassen es. Vor allem Real Madrid hat damit große Probleme. Von den vergangenen 14 Duellen gewann Atlético sechs, Real nur vier. Es begann mit dem spanischen Pokalfinale 2013: Atléticos Sieg gegen die Königlichen war der erste nach mehr als 13 Jahren.

Enrique Cerezo ist mit einiger Skepsis nach Mailand gereist. Zwar hat Atlético auf dem Weg ins Finale schon einige große Mannschaften besiegt - im Viertelfinale den FC Barcelona, im Halbfinale Bayern München. Aber so gut sich sein Verein auch entwickelt hat, gegen Real konnte er sich in der Königsklasse noch nie durchsetzen. 1959 unterlag Atlético in drei Halbfinalspielen, 2014 folgte das verlorene Finale sowie ein Jahr später das Viertelfinalaus nach einem torlosen Hinspiel im Estadio Vicente Calderón und einem 0:1 bei Real. »Für uns ist es fundamental wichtig, dass wir nun gewinnen«, beschwört Cerezo das Ende dieser kleinen, aber schwarzen Serie gegen das weiße Ballett.

Der Wunsch des Atlético-Präsidenten ist verständlich. Nur allzu gern würde er die psychische Ausgangslage für künftige Endspiele und Duelle mit dem Stadtrivalen in der Champions League verbessern. Am Sonnabend geht aber noch Real Madrid als Favorit ins Finale: weil Erfahrung und Selbstvertrauen größer sind. Und auch, weil der Klub mit Zinedine Zidane seit Januar anscheinend wieder einen passenden Trainer gefunden hat. 21 Siege in 26 Spielen und eine Torquote von 2,73 pro Spiel sprechen für den Franzosen.

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