Büromieter fürchten Kündigungen Ende Juni
Berüchtigter Immobilienbesitzer Marweld kauft historisches Fabrikgebäude in Alt-Treptow
Als Ralf Güthe am 17. Mai einen Brief von der »Stiftung Bildung und Handwerk« bekommt, das Haus mit seinem Büro sei verkauft und er solle ab Juni seine Miete an die »JoLo Berlin Liegenschafts-GmbH« überweisen, hatte der Kräuterlikör-Hersteller gerade die Produktionsräume seiner kleinen Firma umfangreich ausgebaut. Bereits 19 Jahre ist der Geschäftsführer von »sensatonics« Mieter in der Lohmühlenstraße 65, einem roten Klinkerbau am Ende des Görlitzer Parks, in dem auf vier Etagen vor allem Selbstständige wie Psychologen, Übersetzer und Geisteswissenschaftler arbeiten.
Güthe rief beim neuen Eigentümer an, doch es meldete sich nicht die »JoLo GmbH« sondern eine Mitarbeiterin von »s+p Real Estate«. Diese sagte, sie sei angewiesen worden, allen Mietern zu sagen, dass das Haus entmietet und modernisiert werde. Ende Juni kämen die Kündigungen. Dies wollte die Mitarbeiterin dem »nd« nicht bestätigen und verwies auf »die Zentrale«.
Boris Gregor Marweld ist in der Stadt kein Unbekannter: Als 2005 das Wohnprojekt Yorck59 geräumt wurde, war er der Hausverwalter des Eigentümers. Seit 1998 hat er in rund 20 Immobilienfirmen gearbeitet, meist als Geschäftsführer. Auch das aktuelle Firmengeflecht scheint verworren: Die »JoLo GmbH« wurde nach dem Kauf der Lohmühle am 27. Mai in »L65 Grundbesitz GmbH« umbenannt, Geschäftsführer ist nun nicht mehr Marweld, sondern Stefan Klemm. Eine schriftliche Anfrage des »nd« ließ dieser bis Redaktionsschluss dieser Seite unbeantwortet. Auf der Homepage von Marwelds neuer Firma, der am 6. Juni gegründeten »Formac Consult Real Estate GmbH«, führt er die Lohmühle jedoch weiter als »aktuelles Projekt«.
Das 1895 gebaute Fabrikgebäude hat nicht nur historischem Wert – es war teil des AGFA-Areals, der späteren IG Farben. Das Haus mit Blick über den Görlitzer Park hat auch Immobilienwert: 23 Millionen Euro Investitionssumme nennt Marweld auf seiner Homepage.
Rein rechtlich kann Gewerbe kurzfristig und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Der Milieuschutz, den die Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick Ende April für Alt-Treptow beschlossen hat, gilt hierfür nicht. Auch im nahe gelegenen Kreuzberg sieht man eine »eklatante Regelungslücke«, wie es der Bezirksvorsitzende der dortigen LINKEN, Pascal Meiser, bezeichnet.
An diesem Dienstag treffen sich die Büromieter, um zu beraten, wie sie weiter vorgehen. Güthe hat schon angefangen, nach neuen Büros zu suchen: Die Mietpreise in der unmittelbaren Umgebung seien inzwischen doppelt so teurer. Er sagt: »Da muss man weiter rausziehen, aber das können wir nicht.«
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