Engländer siegen in letzter Minute

Einen Tag nach neuen Ausschreitungen ihrer Fans bezwingen sie Wales mit 2:1

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Wieder gewinnt ein Favoriten in letzter Minute: Nach Frankreich schlägt auch England in seinem zweiten Spiel spät zu. Im britischen Duell unterlag Wales 1:2.

Wayne Rooney herzte Englands Matchwinner Daniel Sturridge und feierte ausgelassen mit den englischen Fans. Der Waliser Superstar Gareth Bale versuchte hingegen seine Teamkollegen nur Sekunden nach dem Schock in letzter Minute beim 1:2 schon wieder aufzurichten. Dank Sturridge machte England einen großen Schritt in Richtung EM-Achtelfinale. Der eingewechselte Stürmer des FC Liverpool erzielte in der Nachspielzeit den Siegtreffer zum verdienten 2:1 (0:1). Zuvor hatte der ebenfalls eingewechselte Angreifer Jamie Vardy (56.) die Waliser Führung durch Superstar Bale (42.) ausgeglichen.

»Ein großes Gefühl, unglaublich. Es ist so schön sein Land zu repräsentieren und den Jungs zu helfen, das Spiel zu gewinnen«, sagte Sturridge. Vor dem Gruppenfinale gegen die Slowakei am Montag übernahmen die Engländer damit die Führung in der Gruppe B, die Waliser müssen bei ihrem EM-Debüt nun zum Abschluss gegen Russland um den Sprung unter die besten 16 bangen.

Die englische Mannschaft von Trainer Roy Hodgson hatte sich nach einer halben Stunde bei Schiedsrichter Felix Brych (München) über einen verwehrten Handelfmeter beklagt - am Ende spielte das aber keine Rolle mehr. Hodgson vertraute der gleichen Startformation, die gegen Russland nach dem Ausgleich in der Nachspielzeit nur 1:1 gespielt hatte. In der Anfangsphase versuchten beide Teams im Umschaltspiel über wenige Stationen schnell zum gegnerischen Tor zu kommen, boten phasenweise typisch britisches Kick & Rush. England agierte wieder im sehr offensiven 4-1-2-3-System, Wales dafür defensiver ausgerichtet, mit der gewohnten Fünfer-Abwehrkette.

Bei eigenem Ballbesitz suchte England vergeblich ein Mittel gegen den dicht gestaffelten Gegner. Wales stand mit acht Feldspielern um den eigenen Strafraum herum. Im Duell der Superstars übernahm sogar Bale viele Defensivaufgaben; Wayne Rooney war seinerseits nicht so dominant wie im Auftaktspiel, leistete sich zudem einige Ballverluste. Brych versagte England bei seinem ersten EM-Einsatz nach einem Handspiel des Walisers Ben Davies einen möglichen Strafstoß.

Wales wirkte früh zufrieden mit einem Punkt. Dann aber brachte wieder ein Standard sogar die überraschende Führung. Rooney hatte Hal Robson-Kanu gefoult, Bale schoss den Freistoß aus etwa 30 Metern nicht besonders platziert und Englands Schlussmann Joe Hart ließ den Ball durchrutschen. Es war Bales zweites Freistoßtor dieser EM und zugleich die nächste Episode in der an Patzern reichen Geschichte englischer Torhüter bei großen Turnieren.

Nach der Pause ersetzten Jamie Vardy und Sturridge die enttäuschenden Stürmer Harry Kane und Raheem Sterling. Diese Wechsel machten sich direkt bezahlt. Wales konnte nicht klären, eine Hereingabe von Sturridge verlängerte Kapitän George Williams, Vardy verwandelte aus kurzer Distanz eiskalt. Es war sein viertes Tor in den vergangenen fünf Länderspielen. Bale beschwerte sich zu Unrecht bei Linienrichter Stefan Lupp über die vermeintliche Abseitsposition, doch der letzte Pass auf Vardy kam von einem Waliser.

England drückte weiter und hatte seine Chancen. Sturridge traf den Ball nicht. Dann aber spielten die Three Lions nicht zwingend genug aufs walisische Tor, auch die Einwechslung des 18-jährigen Marcus Rashford als jüngsten Spieler dieses Turniers brachte zunächst nichts. Dann aber sorgte Sturridge in der Nachspielzeit für Jubel.

Tags zuvor hatten Krawalle der größtenteils englischen Hooligans das nur eine halbe Autostunde entfernte Lille in Atem gehalten. Als nach Ende des Spiels Russland gegen Slowakei zahlreiche Fans beider Teams in die Altstadt strömten, kam es plötzlich zu Jagdszenen. Hunderte Briten stürmten durch die Straßen - offenbar, um sich mit verfeindeten Anhängern aus Russland zu schlagen. Nach den Vorkommnissen in Marseille, wo russische Anhänger am Samstag den englischen Fanblock gestürmt hatten, war noch eine Rechnung offen. »Fuck off Russia« skandierten viele Engländer.

Die Szenen wiederholten sich bis Mitternacht mehrfach. Immer wieder versuchte die Polizei die Fans auseinanderzutreiben. Meist mit Gewalt. Durchsagen über Lautsprecher gab es keine. Zwischen den Fronten versuchte zwischenzeitlich ein Dutzend unbewaffneter Polizisten aus England und Wales die Fans in Schach zu halten. Das gelang teilweise. Doch auch sie konnten nicht verhindern, dass Engländer auf Straßenschilder kletterten und weiter Ärger machten.

Es waren jedoch nicht nur stark alkoholisierte Engländer, die für Krawalle sorgten. Auch einige Anhänger der Équipe tricolore warfen Steine und Flaschen auf Polizisten. Die antworteten mit Tränengas, Schlagstöcken und Hunden. Insgesamt 37 Fans wurden festgenommen. Es gab 50 Verletzte, 16 Personen mussten in Krankenhäusern stationär behandelt werden. Agenturen/nd

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