Präsidiumswahlen: Tränen am Rednerpult

Präsidentenwahl: Silke Sinning siegt in der Kampfabstimmung um den Vizeposten hinter dem wiedergewählten Bernd Neuendorf

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Reichlich Frauen rings um den wiedergewählten DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf (r.): Sabine Mammitzsch (l. o.), Silke Sinning (r. o.), sowie Heike Ullrich (l.)
Reichlich Frauen rings um den wiedergewählten DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf (r.): Sabine Mammitzsch (l. o.), Silke Sinning (r. o.), sowie Heike Ullrich (l.)

Es brandete ordentlich Applaus auf, als in der Event- und Futsalhalle auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ganz offiziell feststand: Bernd Neuendorf bleibt dem größten Einzelsportverband der Welt für eine zweite Amtszeit erhalten. Der Mann mit der markanten Lesebrille erfuhr am Freitag breite Zustimmung von den 253 stimmberechtigten Delegierten, die an den sieben Tischreihen ihre grünen Kärtchen in die Luft reckten. »Es wird eine tolle Zeit. Ich nehme das natürlich an«, rief der 64-Jährige aus, nachdem ihn beim 45. Ordentlichen DFB-Bundestag das einstimmige Votum erreicht hatte. Man habe den Verband »stabilisiert und konsolidiert – atmosphärisch, finanziell, inhaltlich, sportlich«, sagte Neuendorf. »Der DFB hat seine Reputation wiederhergestellt.« Nun wolle man mehr gestalten als verwalten: »Wir wollen mutig nach vorne gehen – und das stringent und planvoll!«

Die neue Strategie bis 2030 beinhalte, die Vereine »organisatorisch fit für die Zukunft« zu machen. Der Verband sei das bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren nicht gewesen, weil der DFB nicht nur finanziell an einem »gefährlichen Kipppunkt« gestanden habe, erinnerte der gebürtige Dürener. Das strukturelle Defizit von 20 Millionen Euro jährlich sei mittels einer »Wurzelbehandlung« behoben. Man werde bereits zum Ende der nächsten Wahlperiode schuldenfrei sein und das Darlehen für den Campus komplett getilgt haben. Zudem will man bis 2029 sogar 100 Millionen Euro an Rücklagen aufgebaut haben, wie Schatzmeister Stephan Grunwald ausführte.

Die erstmals in der neuen DFB-Heimat ausgerichtete Zusammenkunft war erkennbar auf Harmonie angelegt, Grußwort von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) inklusive. Selbst der ehemalige Generalsekretär Friedrich Curtius konnte nachträglich noch entlastet werden, weil die Staatsanwaltschaft Frankfurt 2024 keine belastbaren Hinweise auf Verfehlungen gefunden hatte. Am meisten Brisanz barg letztlich die Kampfabstimmung zweier Frauen um einen Vizeposten. Dabei setzte sich Silke Sinning überraschend mit 124:113 Stimmen bei drei Enthaltungen gegen Silke Raml durch, die nun mit der Zuständigkeit für den Bereich Bildung, Freizeit- und Breitenfußball betraut bleibt. Mit tränenerstickter Stimme bedankte sich die 56-Jährige für eine unerwartete Wiederwahl: »Ihr seid mein Lebenselixier.«

Hessens Verbandschefin Sinning hatte beim »Get Together« am Donnerstagabend die düstere Vorahnung beschlichen, dass es nicht reichen könnte. Doch trug die Sportwissenschaftlerin die überzeugendere Bewerbungsrede vor: »Ich weiß, wie man Brücken baut. Ich stehe für einen Fußball, der Verantwortung übernimmt.« Ihr Appell ans Rückgrat der DFB-Delegierten fruchtete. Belohnt wurde damit erneut ihr Mut, vor drei Jahren beim Bundestag in Bonn den Spitzenfunktionär Rainer Koch verdrängt zu haben. Der ewige Strippenzieher fungiert immer noch als einflussreiches Ehrenmitglied des Süddeutschen Fußballverbandes, der – ob Zufall oder nicht – die Sportwissenschaftlerin Sinning nicht mehr wollte. Doch letztlich fiel die süddeutsche Kandidatin Raml durch, die sich in niederbayrischem Dialekt als Kind des Fußballs beschrieb. Vieles klang bei der 50-Jährigen allerdings nach Allgemeinplätzen. Somit wehte bei dieser Personalie ein Hauch von Demokratie durch den DFB.

Alles andere war ja ansonsten eingefädelt: Wie der geräuschlose Wechsel von Generalsekretärin Heike Ullrich in die Rolle als Vizepräsidentin Frauen- und Mädchenfußball für die zu blasse Amtsinhaberin Sabine Mammitzsch. Zu den Impulsen für diesen Wachstumsbereich gehört die Investition von 100 Millionen Euro in eine neue Gesellschaft der Frauen-Bundesliga, die der DFB als Joint Venture mit den 14 Klubs aufsetzt. Neuendorf sprach von einem »starken, mutigen Signal, um zu den führenden Ligen der Welt zu gehören«. Überdies sei es wichtig, am 3. Dezember von der Uefa den Zuschlag für die Frauen-EM 2029 zu erhalten. DFB-Vizepräsident und Liga-Chef Hans-Joachim Watzke versprach, alles dafür zu tun, schließlich sei er »mittlerweile auch ein Freund des Frauenfußballs« geworden.

Deswegen waren auch zahlreiche Uefa-Exekutivmitglieder zu dem Event eingeladen, bei dem Bernard Dietz zum siebten Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, Silvia Neid und posthum Doris Fitschen zu Ehrenspielführerinnen ernannt wurden. Die Ehrung der früheren Ikone des MSV Duisburg Dietz, Kapitän der Europameisterelf von 1980, sei »längst, längst überfällig«, betonte Jürgen Klinsmann in seiner Laudatio. Dagegen schaffte es die Ex-Funktionärin Hannelore Ratzeburg nicht, bei der Würdigung von Neids Verdiensten und der Erinnerung an die im März 2025 verstorbene Fitschen auf den Punkt zu kommen. Als gleichwohl deren Sohn Leo stellvertretend für seine Mutter die Auszeichnung entgegennahm, brandete fast noch mehr Beifall als bei Neuendorfs Kür auf.

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