Palmyra etc.

Tagungsnotizen

  • Ronald Sprafke
  • Lesedauer: 2 Min.

Als in den letzten Apriltagen die Nachricht um die Welt ging, das antike Palmyra sei nicht mehr in den Händen des IS, war die Erleichterung groß. Die Zerstörung wichtiger antiker Baudenkmäler war schmerzlich, aber das Ausmaß der Vernichtung der Weltkulturerbestätte nicht so gewaltig wie zunächst angenommen. Sofort begann weltweit ein Wettlauf, wer am schnellsten und besten die Sicherung und den Wiederaufbau der Ruinenstadt bewerkstelligen könnte. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass diese Aufgabe viel zu komplex ist, um sie allein und in einem Anlauf bewältigen zu können. Wie dies geschehen könne, diskutierte jüngst eine dreitägige Konferenz in Berlin, an der über 230 Experten aus über 20 Ländern teilnahmen. Eingeladen hatten UNESCO und das Auswärtige Amt in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI), der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Gerda-Henkel-Stiftung. Mit am Tisch saßen Vertreter der syrischen Antikenbehörde, von Oppositionsgruppen und Nichtregierungsorganisationen sowie syrische Wissenschaftler.

Es geht nicht nur um Palmyra und Aleppo, sondern um ein Konzept für die Kulturgüter des ganzen Landes: von Notfallmaßnahmen zur schnellen Rettung gefährdeter Denkmäler bis hin zum Wiederaufbau und langfristigen Erhalt. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, betonte, dass es bei Hilfsmaßnahmen keine nationalen Alleingänge geben darf. Ein solcher Vorwurf war gegenüber Russlands Rolle in Palmyra erhoben worden. Viele nationale Institutionen - Louvre, Eremitage, Vorderasiatisches Museum Berlin - können ihre speziellen Kompetenzen einbringen.

Dringend nötig ist die Aus- und Weiterbildung einheimischer Handwerker und Restauratoren, Architekten und Museumsfachleute. Ein erstes, diesbezüglich konkretes Ergebnis war das 2015 gestartete Modellprojekt »Stunde Null« des Expertennetzwerks Archaeological Heritage Network, das rund 20 deutsche Hochschulen, außeruniversitäre Forschungsstellen, Museen, Stiftungen und Verbände vereint. Seit 2013 besteht zudem am DAI und dem Museum für Islamische Kunst Berlin das »Syrian Heritage Archive Project«, das schon über 120 000 Fotos, Pläne, Zeichnungen und schriftliche Aufzeichnungen über zerstörte Denkmäler im ursprünglichen Zustand digitalisiert hat. Das Vorderasiatische Museum Berlin wiederum stellt dem Nationalmuseum Damaskus hochwertige Lagerungsmaterialien zur Verfügung, damit die dort aus Provinzmuseen vor Raub und Zerstörung geretteten über 40 000 Keilschrifttafeln nicht zerfallen.

Strikt zurückzuweisen sind Behauptungen, solche Anstrengungen würden nur das Assad-Regime durch die Hintertür stabilisieren. Nein, sie geben den Menschen in Syrien ihr kulturelles Erbe wieder zurück.

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